Einführung #
Podcast
Die Versorgung der Bürger mit den Notwendigkeiten des täglichen Lebens, also mit Wohnraum, Essen, Kleidung, etc., ist in der Marktwirtschaft keine Selbstverständlichkeit. Nur wer über ein Einkommen, also Geld, verfügt, das ihm den Zugriff auf die Notwendigkeiten des täglichen Lebens gewährleistet, kann sich versorgen. Für die Masse der Bevölkerung wird dieses Einkommen entweder durch Erwerbsarbeit selbst oder von Angehörigen oder sonstigen nahestehenden Personen verdient. Manche erhalten ihr Einkommen von Trägern anderer Sozialleistungen außerhalb des Grundsicherungssystems (zum Beispiel die Arbeitslosenversicherung). Wer weder auf eigenes Einkommen oder Vermögen, noch auf Einkommen von Angehörigen oder Trägern anderer Sozialleistungen zurückgreifen kann, gilt als hilfebedürftig.
Lies: § 9 Abs.1 SGB II und § 19 Abs.1 SGB XII
Hilfebedürftige in diesem Sinne erhalten Leistungen aus dem Grundsicherungssystem.
Leistungen der Grundsicherung sind insofern nachrangig (subsidiär) gegenüber anderen Sozialleistungen.
Lies: § 9 Abs.1 SGB II und § 12a SGB II
Man sagt deshalb: im SGB II gilt das Subsidiaritätsprinzip. Leistungen der Grundsicherung sind steuerfinanziert und gehören zu den so genannten staatlichen Fürsorgeleistungen (Gegenbegriff: Versicherungsleistungen). Ihr Zweck ist die Existenzsicherung, also die Versorgung der betroffenen Hilfebedürftigen mit dem aktuell Lebensnotwendigen (Leistungen „von der Hand in den Mund“). Es gilt deshalb auch das Prinzip, dass Schulden grundsätzlich nicht übernommen werden, weil es sich bei ihnen um vergangene und nicht mehr aktuelle Notlagen handelt. „Grundsicherung“ ist der Oberbegriff für diejenigen Leistungen an Hilfebedürftige, aus denen die für jedermann notwendigen Bedarfe (Wohnraum, Essen, Kleidung, etc.) finanziert werden.
Neben dem Begriff „Grundsicherungsleistungen“ ist auch der Begriff „Existenzsicherungsleistungen“ gebräuchlich. Nicht von den Grundsicherungsleistungen umfasst sind zusätzliche Hilfebedarfe, die sich aus „besonderen Lebenslagen“, wie etwa, Krankheit, Pflegebedürftigkeit, etc., ergeben (vgl. 5. – 9. Kapitel SGB XII). Diese Hilfen werden „Hilfen in besonderen Lebenslagen“ genannt (im GegenS. zur allgemeinen Lebenslage, die sich eben für die Hilfebedürftigen dadurch auszeichnet, dass sie ihren normalen Lebensunterhalt nicht sichern können).
Ein weiteres wichtiges Gesetz, welches der „Grundsicherung“ von Hilfebedürftigen dient, ist das Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG), welches – entgegen seinem Titel – nicht nur für Asylbewerber, sondern auch für andere Ausländer, zum Beispiel geduldete Flüchtlinge, Anwendung findet. Einzelheiten zum Asylbewerberleistungsgesetz können hier nicht erörtert werden. Hinzuweisen ist darauf, dass das Leistungsniveau beim Asylbewerberleistungsgesetz gegenüber dem „normalen“ Grundsicherungsniveau erheblich abgesenkt ist und dass verstärkt Sachleistungen anstelle von Geldleistungen gewährt werden.
Hartz-IV-Reform #
Fürsorgeleistungen zur Lebensunterhaltssicherung wurden bis Ende 2004 auf Grundlage des Bundessozialhilfegesetzes (BSHG) als Sozialhilfe gewährt. Das Bundessozialhilfegesetz wurde aufgehoben und im Zuge der sogenannten „Hartz IV Reform“ durch das SGB II und das SGB XII ersetzt. Kritik der damaligen rot-grünen Bundesregierung am „alten“ System war, dass das Zusammenspiel der Sozialleistungen Arbeitslosengeld, Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe dazu führe, dass Hilfesuchende keine ausreichenden Anreize hätten, einer Erwerbsarbeit nachzugehen. Außerdem wurden Sparziele verfolgt. Diese Ziele wurden durch folgende Schritte umgesetzt:
Bezugsdauer
Vor Inkrafttreten der Hartz IV Reform wurden Personen, die arbeitslos wurden und die in der Arbeitslosenversicherung (SGB III) versichert waren, zunächst Arbeitslosengeld und nach Ablauf bestimmter Zeitkorridore Arbeitslosenhilfe gezahlt. Sowohl das Arbeitslosengeld als auch die Arbeitslosenhilfe wurden der Höhe nach einkommensabhängig als ProzentS. vom bisherigen Einkommen gezahlt, auch für die Dauer mehrerer Jahre. Hier hat die Hartz IV Reform einen radikalen Schnitt herbeigeführt. Die Arbeitslosenhilfe wurde abgeschafft. Es gibt nur noch Arbeitslosengeld I (geregelt im SGB II) als einkommensabhängige Sozialversicherungsleistung. Die Bezugsdauer wurde grundsätzlich (Ausnahmen gelten für ältere Arbeitnehmer) auf ein Jahr beschränkt. Danach erhalten alle erwerbsfähigen Arbeitslosen nur noch das so genannte Bürgergeld, welches der Höhe nach nicht einkommensabhängig, sondern im GrundS. für alle gleich ist (seit 2012 beträgt der RegelS. 374 €).
Berufsschutz
Im „alten“ System von Arbeitslosengeld und Arbeitslosenhilfe gab es einen – wenn auch eingeschränkten – Berufsschutz. Im GrundS. galt: Wer einen bestimmten Ausbildungsstand oder eine bestimmte Qualifikation erreicht hatte, brauchte sich nicht auf Arbeit niederer Qualifikation einzulassen. Dies galt während der gesamten Bezugsdauer von Arbeitslosengeld und Arbeitslosenhilfe, die – wie dargestellt – über mehrere Jahre andauern konnte. Im neuen System gibt es diesen Berufsschutz nur noch sehr beschränkt. Grundsätzlich sind einer arbeitslosen Person alle ihrer Arbeitsfähigkeit entsprechenden Beschäftigungen zumutbar, soweit allgemeine oder personenbezogene Gründe der Zumutbarkeit einer Beschäftigung nicht entgegenstehen.
Lies: § 140 SGB III, dort insbesondere Abs. 5.
Einmalige Leistungen
Im „alten“ System wurden die regelmäßig wiederkehrenden Bedarfe des täglichen Lebens durch den damals geltenden RegelS. von knapp 300 € abgedeckt. Soweit Bedarf entstand, der über das regelmäßig wiederkehrende hinausging (z.B. Kühlschrank, Waschmaschine) wurde dieser als einmaliger Bedarf anerkannt und als sogenannte einmalige Leistung finanziert. Diese sogenannten einmaligen Leistungen wurden – bis auf wenige Ausnahmen (§ 24 Abs. 3 SGB II) – abgeschafft. Gleichzeitig wurde der RegelS. um etwa 50 € erhöht. Bezieher von Grundsicherungsleistungen sollten dazu angehalten werden, zu sparen und bestimmte Geldbeträge für künftig anfallende einmalige Bedarfe zurückzulegen.
Senkung des allgemeinen Lohnniveaus
Bezieher von Erwerbseinkommen, die arbeitslos werden, sind nach Ablauf des einen Jahres Bezugsdauer von Arbeitslosengeld I mit einem Absacken auf das Existenzsicherungsniveau und damit mit oft massiven Einkommenseinbrüchen konfrontiert. Dieser ökonomische Druck zwingt sie zur Annahme von Arbeit auf niedrigerem Qualifikations- und Lohnniveau. Dieses wiederum führt zu einem Mehrangebot an „billiger Arbeit“ und senkt das allgemeine Lohnniveau. Diese Wirkungen der Hartz IV Reform waren einerseits intendiert. Andererseits sieht sich der Gesetzgeber nun selbst mit dem Problem konfrontiert, dass die in den sogenannten Niedriglohnberufen gezahlten Einkommen zum Teil unter dem sogenannten Hartz-IV-Niveau liegen, sodass ergänzende Grundsicherungsleistungen notwendig werden (vgl. hierzu die Diskussion um Mindestlöhne).
Kritik der Reform von SGB II und SGB XII
Die Neuregelungen von SGB II und SGB XII waren nach ihrem Inkrafttreten vielfältiger Kritik ausgesetzt. Diese Kritik betraf einerseits die „handwerkliche“ Qualität des Gesetzes, die von vielen beanstandet wurde. Das Gesetz enthält viele Widersprüche und Unklarheiten, die zu zahllosen Sozialgerichtsverfahren geführt haben. Eine große Zahl der Klagen vor den Sozialgerichten sind erfolgreich. Andererseits bezog sich die Kritik auch auf rechtspolitische Aspekte des Gesetzes.
Bürgergeld-Reform #
Das Bürgergeld hat zum 1. Januar 2023 das Arbeitslosengeld II abgelöst.
Die Bedarfe werden zukünftig nun nicht mehr rückwirkend, sondern vorausschauend an die Teuerungsraten angepasst. Die Regelsätze wurden erhöht.
Die Kosten für Unterkunft werden künftig in tatsächlicher Höhe, die Heizkosten in angemessener Höhe anerkannt und übernommen.
Wer auf Bürgergeld angewiesen ist, darf in der Karenzzeit das grundsätzlich das Ersparte behalten. Die Freibeträge wurden deutlich erhöht.
Das Sanktionssystem wurde geändert. Bei der ersten Pflichtverletzung mindert sich das Bürgergeld für einen Monat um zehn Prozent, bei der zweiten für zwei Monate um 20 Prozent und bei der dritten für drei Monate um 30 Prozent. Eine Leistungsminderung darf nicht erfolgen, sollte sie im konkreten Einzelfall zu einer außergewöhnlichen Härte führen.
Zuordnung zum Bürgergeld-System #
Podcast
Das „alte“ Bundessozialhilfegesetz ist aufgegangen in SGB II und SGB XII. Hintergrund dieser Aufteilung ist, dass der Gesetzgeber mit der Hartz IV Reform eine Aufteilung der Hilfebedürftigen vornehmen wollte, in solche die erwerbsfähig sind und solche die nicht erwerbsfähig, vollständig erwerbsgemindert oder alt sind. Im Detail ist die Differenzierung etwas komplizierter. Im Grundsicherungsrecht geht es aber um die Differenzierung zwischen Erwerbsfähigen auf der einen und nicht Erwerbsfähigen sowie vollständig Erwerbsgeminderten auf der anderen Seite. Regelungen für die Erwerbsfähigen werden im SGB II getroffen. Sie werden dort als Arbeitslose bezeichnet und behandelt. Regelungen für die Nicht Erwerbsfähigen und Vollständig Erwerbsgeminderten trifft das SGB XII. Sie werden dort als Sozialfälle bezeichnet. Beide Leistungssysteme weisen hinsichtlich der Art der Berechnung der jeweiligen Sozialleistungen große Parallelen auf. Unterschiede in beiden Systemen bestehen im Bereich der sogenannten Anreize und Sanktionen und im Bereich der Anrechnung von Einkommen und Vermögen. Bei der Berechnung von Grundsicherungsleistungen spielt die Zuordnung zum jeweiligen System (SGB II oder SGB XII ?) praktisch insofern eine Rolle, als bei jeder Berechnung zunächst geprüft werden muss, welchen Systemen der jeweilige Hilfesuchende zugeordnet werden muss. Ohne diese vorherige Entscheidung über die Systemzuordnung können die Anspruchsgrundlagen nicht gefunden werden.
Leistungen für erwerbsfähige Hilfesuchende (SGB II)
Wer Leistungen nach dem SGB II beanspruchen kann, ist zunächst in § 7 SGB II geregelt. Danach haben Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II Personen, die
- das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a noch nicht erreicht haben,
- erwerbsfähig sind,
- hilfebedürftig sind und
- ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben.
Altersgrenzen
Im Fokus des SGB II stehen arbeitslose erwerbsfähige Erwachsene und Jugendliche. Nach unten hin gilt eine Altersgrenze von 15 Jahren. Wer das 15. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, also noch keinen 15. Geburtstag hatte, ist nicht leistungsberechtigt. Nach oben hin gilt eine Altersgrenze von mindestens 65 höchstens 67 Jahren. Dies richtet sich im einzelnen nach § 7a SGB II.
Lies: § 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB II und § 7a SGB II
Ursprünglich galt derjenige, der das 65. Lebensjahr überschritten hatte, nicht als leistungsberechtigt im Sinne des § 7 Abs. 1 SGB II. Wegen der Heraufsetzung des Renteneintrittsalters auf das 67. Lebensjahr hat der Gesetzgeber § 7a SGB II geschaffen, sodass nunmehr die Altersgrenze auch im Bereich des SGB II sukzessive ansteigt. Welcher Altersgrenze die jeweilige Person unterliegt, hängt von ihrem Geburtsjahr ab (vgl. § 7 a SGB II). Für Personen, die ab 1964 geboren sind, beträgt die Altersgrenze 67 Jahre.
Erwerbsfähigkeit
Hilfebedürftige, die in der Lage sind, arbeiten zu gehen, also erwerbsfähig sind, werden dem SGB II zugeordnet. Dabei geht das SGB II grundsätzlich von der Erwerbsfähigkeit des Hilfebedürftigen aus. Diese entfällt nur dann, wenn die betreffende Person wegen Krankheit oder Behinderung außer Stande ist, mindestens 3 Stunden am Tag erwerbstätig zu sein.
Lies: § 8 Abs. 1 SGB II
Wer also mehr als 3 Stunden täglich erwerbstätig sein kann oder wer zwar weniger als 3 Stunden täglich erwerbstätig sein kann, bei dem der Grund der Verhinderung aber nicht in Krankheit oder Behinderung liegt, wird dem System des SGB II zugeordnet. Wenn zum Beispiel eine hilfebedürftige Person nur deshalb nicht zur Arbeit gehen kann, weil sievein Kleinkind betreuen muss (etwa weil keine adäquate Betreuungseinrichtung zur Verfügung steht), wird sie dem System des SGB II zugeordnet: Zwar kann sie nicht mindestens 3 Stunden am Tag erwerbstätig sein, der Grund dafür liegt aber nicht in Krankheit oder Behinderung. Sie gilt deshalb als erwerbsfähig im Sinne des § 8 Abs. 1 SGB II. Ob ihr eine Arbeit zugemutet werden kann, ist eine andere Frage (vgl. hierzu für die Kindererziehung § 10 Abs. 1 Nr. 3 SGB II).
Hilfebedürftigkeit
Leistungen nach dem SGB II erhält nur, wer hilfebedürftig ist.
Lies: § 9 SGB II
Einzelheiten zur Feststellung der Bedürftigkeit werden später im Zusammenhang mit der Berechnung erläutert.
Gewöhnlicher Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland
Leistungen nach dem SGB II setzen den gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland voraus. Der Begriff des gewöhnlichen Aufenthaltes (Gegenbegriff: tatsächlicher Aufenthalt) setzt voraus, dass die betreffende Person ihren Lebensmittelpunkt in Deutschland hat.
Für Ausländer gelten Sonderregeln (§ 7 Abs. 1 S. 2 und 3 SGB II).
Bedarfsgemeinschaft #
Podcast: Grundsicherung – Bedarfsgemeinschaft
Leistungen erhalten auch Personen, die zwar selbst nicht erwerbsfähig sind, aber mit erwerbsfähigen Leistungsberechtigten in einer Bedarfsgemeinschaft leben. Mithilfe dieses Begriffes werden im SGB II Personen, die in Familien oder familienähnlichen Beziehungen zusammenleben, im Hinblick auf die Leistungsgewährung zusammengefasst.
Lies: § 7 Abs. 2 SGB II
In der Praxis geht es vor allem darum, die nicht erwerbsfähigen Kinder (also Kinder unter 15) mit deren erwerbsfähigen Eltern dem System des SGB II zuzuordnen. Etwas plakativ könnte man sagen, dass auch die „Anhängsel“ der erwerbsfähigen Hilfebedürftigen nach dem System des SGB II behandelt werden sollen. Im Folgenden wird zunächst auf den Begriff der Bedarfsgemeinschaft eingegangen. Sodann werden die rechtlichen Konsequenzen der Zugehörigkeit zu einer Bedarfsgemeinschaft erläutert.
Begriff der Bedarfsgemeinschaft
Den Begriff der Bedarfsgemeinschaft regelt § 7 Abs. 3 SGB II:
Zur Bedarfsgemeinschaft gehören
- die erwerbsfähige(n) Leistungsberechtigte(n) selbst. (§ 7 Abs. 3 Nr. 1 SGB II)
- Eltern im Haushalt ihrer erwerbsfähigen Kinder (§ 7 Abs. 3 Nr. 2 SGB II). Diese Konstellation meint Fälle, in denen (nicht erwerbsfähige) Eltern und deren Partner mit ihren erwerbsfähigen Kindern im Alter zwischen 15 und 25 zusammenleben.
- Partner (§ 7 Abs. 3 Nr. 3 SGB II). Partner sind dabei nicht bloß Ehegatten, sondern auch alle anderen Formen von Partnerschaften, seien es sogenannte eingetragene Lebenspartnerschaften (= gleichgeschlechtliche Ehe) oder andere Partnerschaften. Nicht jede Partnerschaft führt zu einer Bedarfsgemeinschaft. Erforderlich ist vielmehr der „wechselseitige Wille, Verantwortung für einander zu tragen und füreinander einzustehen“. Unter welchen Voraussetzungen ein solcher, eine sog. „Verantwortungsgemeinschaft“ begründender Wille besteht, ist in § 7 Abs. 3a SGB II näher definiert: Er wird vermutet, wenn Partner länger als ein Jahr zusammen leben, wenn sie mit einem gemeinsamen Kind zusammen leben, wenn Kinder oder Angehörige im Haushalt versorgt werden oder wenn sie befugt sind über Einkommen und Vermögen des anderen zu verfügen. Diese Vermutung hat zur Folge, dass die Betroffenen den Gegenbeweis antreten müssen, wenn sie sich auf das Gegenteil der Vermutung berufen wollen. Wer zum Beispiel behaupten will, dass er mit dem gemeinsamen Kind bloß in einer (Zweck)-WG und nicht in einer Verantwortungsgemeinschaft lebt, muss dies positiv beweisen. Solange er dies nicht tut, wird er behandelt, als lebe er in einer Verantwortungsgemeinschaft.
- Kinder und junge Menschen im Haushalt der Eltern. (§ 7 Abs. 3 Nr. 4 SGB II)Zur Bedarfsgemeinschaft gehören nicht nur minderjährige Kinder, sondern auch volljährige Kinder, die unter 25 sind.
Rechtliche Konsequenzen einer Zuordnung zur Bedarfsgemeinschaft
Die Zuordnung und Zugehörigkeit zu einer Bedarfsgemeinschaft wirkt sich an verschiedenen Stellen im SGB II aus:
- Höhe der Regelbedarfe: Die Regelbedarfsstufe einer Person und damit die Höhe des gezahlten Regelbedarfes ist abhängig davon, ob diese Person einer Bedarfsgemeinschaft angehört oder nicht (vgl. § 20 Abs. 2 und 4 SGB II). Hier wird deutlich, dass sich die Zugehörigkeit zu einer Bedarfsgemeinschaft für die Betroffenen nachteilig auswirkt, weil in diesem Fall nur ein geringerer Regelbedarf anerkannt wird. Da jede Berechnung von Leistungsansprüchen nach dem SGB II damit beginnt, den Regelbedarf der jeweiligen Person zu ermitteln (vgl. hierzu das Prüfschema zur Berechnung von Grundsicherungsansprüchen), ist die Frage, ob die betreffende Person einer Bedarfsgemeinschaft angehört, als Vorfrage bei jeder Berechnung zu klären.
- Bürgeld für nicht erwerbsfähige Leistungsberechtigte: Ob eine Person als „Anhängsel“ einer erwerbsfähigen Person Bürgergeld nach § 19 Abs. 1 S. 2 SGB II erhält, ist davon abhängig, ob sie mit dieser Person in einer Bedarfsgemeinschaft zusammenlebt.
- „Queranrechnung“ von Einkommen in Bedarfsgemeinschaften: Personen, die sich selbst unterhalten können, sind nicht hilfebedürftig und haben deswegen keinen Leistungsanspruch. Gleiches gilt unter bestimmten Voraussetzungen für Personen, die in Bedarfsgemeinschaften mit anderen leben und von deren Einkommen leben können (Details folgen). Dies ist zum Beispiel der Fall, wenn ein Partner bedürftig ist, der andere aber ausreichend Einkommen hat, um den Partner mit zu versorgen.
Berechnung von Leistungen #
Podcast: Grundsicherung – Bedarf
Die Zuordnung zum System des SGB II, entweder über die Erwerbsfähigkeit oder über die Zugehörigkeit zu einer Bedarfsgemeinschaft, reicht für einen Leistungsanspruch nach dem SGB II selbstredend nicht aus. Grundsicherungsleistungen erhält nur, wer hilfebedürftig ist (vgl. § 7 Abs. 1 S. 1 Nr.3 SGB II). Hilfebedürftig ist nur, wer seinen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern kann (§ 9 Abs. 1 SGB II). Ob die Lebensunterhaltssicherung aus dem eigenen Einkommen und Vermögen „ausreicht“, wie es § 9 Abs. 1 SGB II verlangt, ist anhand einer Berechnung zu ermitteln: Diese Berechnung von Grundsicherungsleistungen folgt einem Schema, bei dem für jede Person, deren Anspruch es zu berechnen gilt, zunächst ein Bedarf ermittelt wird (§§ 19 ff. SGB II). Dieser Bedarf setzt sich ganz wesentlich aus einem sogenannten Regelsatz und individuellen Zuschlägen zu diesem Regelsatz einerseits und aus den Kosten für Unterkunft und Heizung andererseits zusammen. Die Summe aus RegelS., Zuschlägen und Kosten für Unterkunft und Heizung bildet den Bedarf. Auf diesen Bedarf wird dann Einkommen und Vermögen der betreffenden Person angerechnet (vgl. § 19 Abs. 3 SGB II). Die „Formel“ für die Berechnung von Grundsicherungsleistungen lautet daher:
Bedarf – Einkommen bzw. Vermögen = Leistung
Unter bestimmten Voraussetzungen wird auch Einkommen und Vermögen anderer Personen mit angerechnet – dieses Prinzip nennt man „Queranrechnung von Einkommen“ (vgl. § 9 Abs. 2, 5). Neben eigenem und fremdem Einkommen und Vermögen werden auch (bestimmte) Sozialleistungen (z.B. Kindergeld) angerechnet. Einkommen und Vermögen werden nicht in voller Höhe angerechnet. Vielmehr erlaubt der Gesetzgeber sowohl beim Einkommen als auch beim Vermögen den Abzug bestimmter Positionen (z.B. Steuern). Nach Bereinigung spricht man von „bereinigtem Einkommen“ bzw. „bereinigtem Vermögen“ (vgl. §§ 11b, 12 Abs. 2 SGB II). Es gibt auch Einkommen und Vermögen, welches überhaupt nicht angerechnet wird, wie z.B. SchadenserS.leistungen oder ein angemessener PKW (vgl. § 11 a, 12 Abs. 3 SGB II).
Prüfungsschema
Die konkrete Berechnung von Grundsicherungsleistungen erfolgt nach einem Schema, welches im Folgenden dargelegt ist. Dieses Schema ist weitgehend identisch, unabhängig von der Frage, ob die Ansprüche auf der Basis des SGB II oder auf der Basis des SGB XII berechnet werden. Stets erfolgt zunächst die Ermittlung des Bedarfes. Stets wird diesem Bedarf Einkommen und Vermögen gegenübergestellt und aus der o.a. Subtraktion die Leistung abgeleitet. Die Berechnung erfolgt daher immer in 2 Schritten: Zunächst wird der Bedarf ermittelt. Sodann werden Einkommen und Vermögen ermittelt und bereinigt. Was die Sache kompliziert macht, ist, dass die Vorschriften, auf deren Grundlage diese zwei Prüfschritte vorgenommen werden, sich in den jeweiligen Gesetzen (SGB II bzw. SGB XII) an völlig unterschiedlichen Stellen befinden. Es ist unsinnig und auch kaum zu leisten, die jeweiligen Vorschriften auswendig zu lernen. Einen Überblick bietet folgende Tabelle: Im Folgenden wird dieses Prüfschema erläutert. Die Erläuterung erfolgt dabei anhand des SGB II, weil dieses das in der Praxis relevanteste Leistungsgesetz im Bereich der Grundsicherungsleistungen ist. Die jeweils entsprechenden Vorschriften für den Bereich des SGB XII lassen sich aus der obenstehenden Tabelle ablesen. Es wird zunächst die Bedarfsermittlung, sodann die Einkommensanrechnung und schließlich die Vermögensanrechnung erläutert.
Bedarf und Leistungen #
Es ist zunächst der Bedarf zu ermitteln. Ein rechtlich anerkannter Bedarf besteht nur dann, wenn der Gesetzgeber der betreffenden Person einen Leistungsanspruch zugesteht. Die Leistungsansprüche zur Sicherung des Lebensunterhaltes finden sich in den §§ 19-27 SGB II. Hier sind die einzelnen Leistungen aufgelistet. Wer einen Überblick über die Leistungen erhalten will, braucht lediglich die Überschriften der vorgenannten Vorschriften zu lesen. Man kann so relativ schnell diejenigen Leistungen in den Blick nehmen, die im jeweiligen Fall relevant sind. Es werden im Folgenden nicht alle Leistungen erläutert. Es wird lediglich auf die Grundlagen und Grundzüge eingegangen.
Berechnung von Bürgergeld
Nach § 19 Abs. 1 S. 1 SGB II erhalten erwerbsfähige Leistungsberechtigte Bürgergeld. Nach § 19 Abs. 1 S. 2 SGB II erhalten nicht erwerbsfähige Leistungsberechtigte, die mit erwerbsfähigen Leistungsberechtigten in einer Bedarfsgemeinschaft leben, ebenfalls Bürgergeld, soweit sie keinen Anspruch auf Leistungen nach dem Vierten Kapitel des Zwölften Buches haben (in der Masse geht es hier um die Kinder der Erwerbsfähigen). Im 4. Kapitel des SGB XII sind die „Grundsicherung im Alter“ und die „Grundsicherung bei vollständiger Erwerbsminderung“ für Erwachsene geregelt. Das Bürgergeld setzt sich zusammen aus einem pauschalierten Regelbedarf (§ 20 Abs. 1 S. 3 SGB II), etwaigen Mehrbedarfen (§ 21) sowie den Bedarfen für Unterkunft und Heizung (§ 22 SGB II). Vgl. auch § 19 Abs. 1 S. 3 SGB II.
Regelbedarf
Mit dem Regelbedarf gelten gem. § 20 Abs. 1 S. 1 SGB II folgende Positionen zur Absicherung des Lebensunterhaltes als abgegolten:
- Ernährung,
- Kleidung,
- Körperpflege,
- Hausrat,
- Haushaltsenergie ohne die auf die Heizung und Erzeugung von Warmwasser entfallenden Anteile,
- persönliche Bedürfnisse des täglichen Lebens.
Ein Bedarf, der einem dieser Unterpunkte zugeordnet werden kann, kann damit nicht auf der Bedarfsseite zusätzlich in einer anderen Position berücksichtigt werden. Hilfesuche können beispielsweise Stromkosten nicht als zusätzlichen Bedarf neben dem Regelbedarf geltend machen. Diese Kosten sind vielmehr bereits als „Haushaltsenergie“ im RegelS. enthalten. Die Regelsätze werden auf Basis des so genannten Statistikmodells unter Beachtung des sogenannten Lohnabstandsgebotes ermittelt. Dabei werden statistisch die Einkünfte und Gehälter in den unteren Lohngruppen ermittelt. Von diesen Einkünften wird dann ein Abschlag gebildet und daraus der RegelS. abgeleitet. Das Lohnabstandsgebot soll aus der Sicht des Gesetzgebers sicherstellen, dass hinreichend Erwerbsanreiz für Bezieher von Bürgergeld besteht. Grundlage für die Regelbedarfsermittlung ist das im Zuge der Reform 2011 erlassene Regelbedarfs-Ermittlungsgesetz. Die Regelbedarfe werden jährlich fortgeschrieben (§ 20 Abs. 5 SGB II i.V.m. § 28 a SGB XII).
Die Regelbedarfe sind im Augangspunkt in § 20 SGB II geregelt. Dieser verweist bzgl. der Höhe des Regelbedarfs auf die sog. „Regelbedarfsstufen-Fortschreibungsverordnung“ – RBSFV (Stascheit Ziff. 32). Durch diese Verordnung werden die Höhen der Regelbedarfe jährlich angepasst („fortgeschrieben“). Die jeweils aktuellen Regelsätze finden sich unter: Regelbedarfsstufen
Für einen alleinstehenden, volljährigen Erwerbsfähigen ist etwa Regelbedarfsstufe 3 und damit eine Betrag i.H.v. 360,- € (Stand 06.2022) anerkannt.
Nach § 23 SGB II gelten für nicht erwerbsfähige Leistungsberechtigte Besonderheiten hinsichtlich der Höhe des Regelsatzes. Zu beachten sind insbesondere die Altersabstufungen bei Kindern.
Mehrbedarf
Podcast: Grundsicherung – Mehrbedarf
Grundsicherungsleistungen sind nach dem jeweiligen Hilfebedarf im Einzelfall zu gewähren. Dieses Prinzip nennt man „Bedarfsdeckungsgrundsatz“. Grundsicherungsleistungen müssen deshalb der Höhe nach an die Besonderheiten des Einzelfalles angepasst werden. Ein Instrument hierzu ist die Gewährung sogenannter Mehrbedarfe nach § 21 SGB II, die bei Vorliegen bestimmter Lebenslagen gezahlt werden. Mehrbedarfe werden anerkannt für:
a. Schwangere
b. Alleinerziehende
c. behinderte Menschen, denen Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben gewährt werden
d. kranke Menschen, die einer kostenaufwändigen Ernährung bedürfen
e. sowie in sonstigen Fällen (vgl. § 21 Abs. 6 und 7)
Besondere praktische Bedeutung haben die Mehrbedarfe für Alleinerziehende, weil von diesen knapp 50 % auf Leistungen nach dem SGB II angewiesen sind. Die Höhe der Mehrbedarfe wird in Prozent vom Regelbedarf ausgedrückt (vgl. § 21 SGB II). Für Alleinerziehende mit 2 oder 3 Kindern unter 16 Jahren beträgt der Mehrbedarfzuschlag z.B. 36 %.
Unterkunft und Heizung
Den dritten und letzten Bestandteil des Arbeitslosengeldes II bzw. Sozialgeldes bildet der Bedarf für Unterkunft und Heizung. Bezüglich der Höhe ist der tatsächliche Bedarf, also die konkrete Wohnsituation maßgeblich, allerdings nur soweit diese „angemessen“ ist (z.B. 55- 60 qm im Zweipersonenhaushalt). Hierbei sind „einfache Standards“ zu Grunde zu legen (§ 22a Abs. 3 SGB II). Bei der Berechnung der SGB II-Leistung sind die Wohnungskosten nach Kopfteilen aufzuteilen. Die Angemessenheit der Wohnkosten war früher im Hinblick auf die Größe der Wohnung, Quadratmetermiete und vor allem die Höhe der Nebenkosten stets im Einzelfall zu bestimmen und damit Gegenstand zahlreicher Auseinandersetzungen vor den Sozialgerichten. Welche Kosten angemessen sind, kann nunmehr durch S.ung lokal festgelegt werden (vgl. § 22 a SGB II).
Besonderheiten bestehen bezüglich der
- Unterkunftskosten bei Auszug unter 25-jähriger: Nach § 22 Abs. 5 SGB II werden Bedarfe für Unterkunft und Heizung jungen Erwerbsfähigen unter 25, die von zu Hause ausziehen, nur im Ausnahmefall anerkannt, wenn der zuständige kommunale Träger die Kostenübernahme vor Abschluss des Mietvertrages zugesichert hat. Diese Zusicherung wird nur bei Vorliegen besonderer Gründe erteilt (z.B. Umzug erforderlich wg. Arbeitsaufnahme an anderem Ort). Zweck ist es, zu verhindern, dass unter 25-jährige ohne eine entsprechende Notlage von zu Hause ausziehen.
- Übernahme von Mietschulden. In Abweichung vom allgemeinen GrundS. im SGB II, dass Schulden nicht übernommen werden, regelt § 22 Abs. 8 SGB II, dass Mietschulden übernommen werden können, wenn ansonsten Wohnungslosigkeit droht. Gleiches gilt für andere Schulden, wenn deren Übernahme eine vergleichbare Notlage verhindern kann.
Einmalige Leistungen
Podcast: Grundsicherung – Einmalige Leistungen
Mit der Einführung von SGB II und SGB XII wurden die im alten BSHG geregelten sogenannten „einmaligen Leistungen“ weitgehend abgeschafft. Der Bedarf zur Sicherung des Lebensunterhaltes ist grundsätzlich durch die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes (Bürgergeld, Mehrbedarf, Unterkunftskosten) abgedeckt. Zusätzliches Geld, etwa für die Anschaffung teurer Haushaltsgeräte, gibt es grundsätzlich nicht.
Ausnahmen enthält § 24 Abs. 3 SGB II. Danach sind vom Regelbedarf nach § 20 SGB II nicht erfasst:
- Erstausstattungen für die Wohnung einschließlich Haushaltsgeräten (hier geht es nur um die erste Wohnung),
- Erstausstattungen für Bekleidung und Erstausstattungen bei Schwangerschaft und Geburt sowie
- Anschaffung und Reparaturen von orthopädischen Schuhen, Reparaturen von therapeutischen Geräten und Ausrüstungen sowie die Miete von therapeutischen Geräten.
Leistungen für diese Bedarfe werden nach § 24 Abs. 3 S. 2 SGB II gesondert, also zusätzlich zum Regelbedarf erbracht. Dabei kann die Leistung auch als sogenannte Sachleistung erbracht werden.
Unabweisbarer Bedarf als Darlehen
Wenn im Einzelfall ein „an sich“ vom Regelbedarf zur Sicherung des Lebensunterhaltes umfasster Bedarf nicht gedeckt werden kann und wenn dieser Bedarf unabweisbar ist (Beispiel: die Waschmaschine in einem Haushalt mit kleinen Kindern ist kaputt gegangen und es steht kein Geld für eine Neuanschaffung zur Verfügung), ist dem Leistungsberechtigten ein entsprechendes Darlehen zu gewähren. Auch hier können neben Geldleistungen Sachleistungen erbracht werden. Dieses Darlehen wird mit künftigen Leistungsansprüchen verrechnet. Der Hilfesuchende wird so zum nachträglichen Sparen gezwungen.
Kranken- und Pflegeversicherung
Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung werden grundsätzlich übernommen. Jedoch gibt es Einschränkungen Insbesondere im Hinblick auf die Beitragshähe und den Umfang des Versicherungsschutzes.
Lies: § 26 SGB II
Weitere Leistungen
Als weitere Leistungen werden gewährt:
- Leistungen bei medizinischer Rehabilitation der Rentenversicherung und bei Anspruch auf Verletztengeld aus der Unfallversicherung (§ 25 SGB II):
- Zuschüsse zu Beiträgen zur Krankenversicherung und Pflegeversicherung (§ 26 SGB II).
- Leistungen für Auszubildende (§ 27 SGB II).
Leistungen für Bildung und Teilhabe
Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen (unter 25) werden Leistungen für Bildung und Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben in der Gemeinschaft gewährt. Diese Leistungen werden zusätzlich zum Regelbedarf gewährt. Einzelheiten ergeben sich aus § 28 Abs. 2-7 SGB II. Vorgesehen sind Leistungen für
- Schulausflüge und Klassenfahrten (Abs. 2)
- Ausstattung mit persönlichen Schulbedarf (Abs. 3),
- Schülerbeförderung (Abs. 4),
- Lernförderung (Abs. 5),
- Teilnahme an einer gemeinschaftlichen Mittagsverpflegung (Abs. 6),
- Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben in der Gemeinschaft (Sport, Spiel, Kultur, Geselligkeit, Musikunterricht, Freizeiten, etc.)
Lies: § 28 SGB II
Die Leistungen für Bildung und Teilhabe werden nicht als Geldleistungen erbracht. Vorrangig werden sie als Gutscheine oder Direktzahlungen an Anbieter solcher Dienstleistungen erbracht (§ 29 SGB II)
Anrechnung von Einkommen #
Podcast: Grundsicherung – Einkommensanrechnung
Wir erinnern uns an die Berechnungsformel:
Bedarf – Einkommen / Vermögen = Leistung.
Einkommen wir also auf den Bedarf angerechnet. Zur Bestimmungs des Obs und der Höhe der Leistung ist also auch das Einkommen zu ermitteln. Mit dieser Ermittlung des Einkommens beschäftigen wir uns im Folgenden.
Einkommensbegriff
Als Einkommen sind grundsätzlich alle Einnahmen in Geld oder Geldeswert zu berücksichtigen.
Lies: § 11 Abs. 1 S. 1 SGB II
Einkommen sind daher nicht nur Einkünfte aus Arbeit, sondern auch andere Zuflüsse in Geld oder mit Geldeswert. Zum Einkommen zählen daher zum Beispiel auch Unterhaltsleistungen sowie bestimmte Sozialleistungen (z.B. Rente). Einkünfte in Geldeswert sind zum Beispiel die kostenlose Versorgung mit Essen oder Wohnraum.
Von diesem Grundprinzip – alle Einnahmen in Geld oder Geldeswert sind Einkommen – macht der Gesetzgeber Ausnahmen in § 11 a SGB II und § 11 b SGB II. In § 11 a SGB II ist geregelt, dass bestimmte Einkünfte – obwohl es sich dabei um Einnahmen in Geld handelt – nicht als Einkommen berücksichtigt werden. Sie heißen deshalb „nicht zu berücksichtigendes Einkommen“. Nicht zum Einkommen zählen zum Beispiel Schmerzensgeldzahlungen nach § 253 Abs. 2 BGB (vgl. § 11 a Abs. 2 SGB II). Darüber hinaus gibt es bestimmte Beträge, die vom Einkommen abzusetzen sind (vgl. § 11 b SGB II). Diese Beträge heißen Absetzbeträge. Die oben bereits zitierte Formel (Bedarf – Einkommen/Vermögen = Leistung) muss daher erweitert werden wie folgt:
Bedarf | – | Einkommen | = | Leistung |
---|---|---|---|---|
Regelbedarf | Bruttoeinkommen | |||
zzgl. Mehrbedarf | abzgl. Abesetzbeträge | |||
zzgl. Bedarf Unterkunft / Heizung | ||||
zzgl. etc. | ||||
Summe | – | Differenz | Leistungsbetrag |
Tabelle: Grundsicherung – Berechnung von Leistungen
Wichtig ist, dass auch bestimmte kindbezogene Sozialleistungen, wie der sogenannte Kinderzuschlag und das Kindergeld als Einkommen angerechnet werden. Für das Kindergeld gilt, dass es zwar einkommensteuerrechtlich eigentlich den Eltern zusteht (vgl. § 62 EStG), im SGB II aber zunächst den Kindern auf deren Bedarf angerechnet wird. Soweit die Kinder das Kindergeld nicht für ihren eigenen Bedarf benötigen, wird es auf den Bedarf der Eltern angerechnet (vgl. § 11 Abs. 1 S. 3 SGB II).
Es gibt auch Einnahmen, die nicht als Einkommen gewertet werden:
Hervorzuheben sind vor allem die sogenannten „zweckbestimmte Leistungen“. Zweckbestimmte Leistungen sind solche Leistungen, die von anderen Sozialleistungsträgern zu einem ausdrücklich bestimmten sozialen Zweck (z.B. Pfelgegeld für häusliche Pflege) gewährt werden.
Wichtig sind auch die Zuwendungen der freien Wohlfahrtspflege (z.B. Kleiderspenden oder Leistungen der sog. „Tafeln“) und Schmerzendsgeldzahlungen und -renten. Diese Leistungen und Zahlungen werden ebenfalls nicht angerechnet.
Lies: § 11 Abs. 2 – 6 SGB II
Einkommensbereinigung
Einkommen ist vor der Anrechnung zu „bereinigen“. Das Bruttoeinkommen ist deshalb um bestimmte gesetzlich abschließend beschriebene Beträge zu reduzieren, bevor es angerechnet wird.
Folgende Beträge können abgesetzt werden:
Steuern und Sozialversicherungsbeiträge
In § 11 b Abs. 1 S. 1 Nr.1 und 2 SGB II wird klargestellt, dass nur das Nettoeinkommen angerechnet wird.
„Werbungskosten“
Dann folgen in den Nummern 3 – 5 Beträge, die zur Erhaltung der Erwerbsfähigkeit erforderlich sind (Versicherungsbeiträge, Altersvorsorgebeiträge, Fahrtkosten, etc.). Manchen wird diese Systematik aus dem Steuerrecht bekannt sein. Man nennt entsprechende Beträge dort Werbungskosten. Wie im Steuerrecht hat der Gesetzgeber im Interesse der Verwaltungsvereinfachung und Kosteneinsparung jedoch festgelegt, dass im Regelfall keine Einzelabrechnung und kein Einzelnachweis dieser Positionen erfolgen sollen. Vielmehr werden diese Positionen über eine Pauschale in Höhe von 100 € abgegolten: nach § 11 b Abs. 2 SGB II ist an Stelle der Beträge nach Abs. 1 S. 1 Nummern 3 – 5 bei erwerbsfähigen Leistungsberechtigten, die erwerbstätig sind, ein Betrag von insgesamt 100,- € monatlich abzusetzen. Hat der Leistungsberechtigte tatsächlich Kosten, die 100,- € übersteigen, so kann er diese nur geltend machen, wenn er ein Erwerbseinkommen erzielt, dass mehr als 400 € beträgt.
Lies: § 11 b Abs. 2 SGB II
Wird von der Möglichkeit, Einzelnachweise zu erbringen Gebrauch gemacht, gelten innerhalb dieses Systems wiederum Pauschalen. Einzelheiten ergeben sich aus § 6 AlG-II Verordnung.
Lies: § 6 Alg II-V
Eine wichtige Rolle spielen bei § 6 Alg II-V die Pauschalbeträge für Versicherungen. Diese können nämlich von Leistungsberechtigten, die nicht erwerbstätig sind, die also tatsächlich nicht arbeiten, nicht über die sog. 100-Euro-Pauschale nach § 11b Abs. 2 S. 1 SGB II geltend gemacht werden. Denn die Pauschale kann nur vom Erwerbseinkommen abgesetzt werden. Wenn also eine Person kein Erwerbseinkommen hat, gibt es diese Pauschale nicht. Hier hilft § 6 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 AlG II-V, wonach ein Betrag in Höhe von 30 Euro monatlich pauschal für angemessene private Versicherungen abgesetzt werden kann. Voraussetzung ist lediglich, dass tatsächlich Beiträge für solche Versicherungen anfallen. Wenn es um Versicherungen von Kindern geht, können diese auch angesetzt werden, wenn die Versicherung nicht selbst abgeschlossen wurden. Auch dann, wenn das Kind im „Paket“ mit den Eltern versichert ist, kann die Pauschale geltend gemacht werden.
Soweit der konkrete Fall keine Anhaltspunkte dafür liefert, dass hinsichtlich der in § 11 b Abs. 1 Nrn. 3 – 5 SGB II genannten Punkte keine höheren Kosten entstehen und/oder soweit der Berechtigte nicht mehr als 400 € verdient, ist stets der Betrag von 100 € vom Einkommen abzuziehen. Letztlich wird also fingiert, dass der Berechtigte entsprechende Kosten in Höhe von 100 € hat. Ob er diese tatsächlich hat, ist ohne Belang und wird nicht geprüft.
Erwerbsanreiz
Nach § 11 b Abs. 1 S. 1 Nr.6 SGB II ist ferner ein Betrag nach Abs. 3 abzusetzen.
Lies: § 11b Abs. 3 SGB II
Während der Gesetzgeber bei dem zuvor erläuterten Absetzbetrag in Höhe von 100 € für erwerbsfähige und erwerbstätige Leistungsberechtigte davon ausgeht, dass diesen Kosten ein bestimmter Aufwand auf Seiten des Leistungsberechtigten entspricht, geht es bei dem Absetzbetrag nach Abs. 3 nicht um die Abgeltung von Aufwand, sondern darum, ihm überhaupt einen Anreiz zu geben, arbeiten zu gehen. Der Gedanke ist: wer arbeiten geht, soll dadurch „belohnt“ werden, dass ihm nicht im Wege der Anrechnung das gesamte Einkommen gleich wieder weggenommen wird (zu den gleichermaßen geregelten umfangreichen Sanktionen vgl. § 31 SGB II). Deshalb regelt § 11 b Abs. 3 S. 1 SGB II, dass bei erwerbsfähigen Leistungsberechtigten, die erwerbstätig sind, von dem monatlichen Einkommen aus Erwerbstätigkeit ein weiterer Betrag abzusetzen ist. Hier wird also zunächst die Aussage getroffen, dass überhaupt ein Betrag als Erwerbsanreiz abgesetzt werden kann und wovon dieser Betrag abgesetzt werden kann, nämlich vom monatlichen Einkommen aus Erwerbstätigkeit. Das monatliche Einkommen aus Erwerbstätigkeit ist der Bruttolohn. Sodann regelt § 11 b Abs. 3 S. 2 SGB II, die Höhe des Betrages, der als Erwerbsanreiz vom anzurechnenden Einkommen abgesetzt werden kann. Hierzu ist eine Prozentrechnung vorzunehmen und zwar wie folgt: eine Person, die nicht mehr als 1000 € verdient, soll von ihrem Einkommen 20 % absetzen können. Zusätzlich ist aber zu berücksichtigen, dass vom Einkommen Erwerbstätiger ja bereits ein Betrag in Höhe von 100 € für „Werbungskosten“ abzusetzen ist. Es ist deshalb geregelt, dass die 20 % sich nur auf denjenigen Teil des Einkommens beziehen, der 100 € übersteigt, aber nicht mehr als 1000 € beträgt.
Beispiel: Wer also genau 1000 € Bruttoeinkommen hat, kann 180 € absetzen. Die Rechnung lautet: (1000 – 100) * 20 % = 180. Wer zum Beispiel ein Einkommen in Höhe von 450 € hat kann 70 € absetzen. Die Rechnung lautet: (450 -100) *20% = 70.
Werden die 1000 € überschritten gilt: für den Betrag von 1000,01 € bis 1.200 € dürfen zusätzlich 10 % vom Erwerbseinkommen abgesetzt werden.
Beispiel: Wer 1.150 € Bruttoeinkommen hat, kann 195,- € absetzen. Die Rechnung lautet: Vom Einkommen bis 1.000 € sind abzusetzen: (1000 – 100) * 20 % = 180. Vom Einkommen bis 1.200 € sind abzusetzen: 150 * 10 % = 15. Insgesamt sind daher abzusetzen: 195 €.
Leben Leistungsberechtigte mit mindestens einem Kind in Bedarfsgemeinschaft oder haben sie ein Kind, tritt an die Stelle des Betrages von 1.200 € ein Betrag von 1.500 €.
Beispiel: Wer mit seinem Kind zusammenlebt und 1.400 Bruttoeinkommen hat, kann 220 € absetzen. Die Rechnung lautet: Vom Einkommen bis 1.000 € sind abzusetzen: (1000 – 100) * 20 % = 180. Vom Einkommen bis 1.500 € sind abzusetzen: 400 * 10 % = 40. Insgesamt sind daher abzusetzen: 220 €.
Bereinigtes Einkommen
Das bereinigte Einkommen besteht somit im Ergebnis aus der Differenz zwischen dem Einkommen i.S.d. § 11 Abs. 1 und den Absetzbeträgen nach §§ 11 b Abs. 2 und 3 SGB II.
Anrechnung von fremdem Einkommen #
Podcast: Grundsicherung – Anrechnung von fremdem Einkommen
Wie bereits dargestellt wurde, ist leistungsberechtigt i.S.d. SGB II nur, wer hilfebedürftig ist (§ 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 SGB II). In § 9 SGB II wird der Begriff der Hilfebedürftigkeit definiert. Danach ist nicht hilfebedürftig , wer seinen Lebensunterhalt durch ausreichend eigenes Einkommen und Vermögen sichern kann oder von Trägern andere Sozialleistungen (z.B. Krankengeld von der gesetzlichen Krankenversicherung) erhalten kann. Dieser Komplex (Sicherung des Lebensunterhaltes durch eigenes Einkommen/Vermögen bzw. Sozialleistungen) wurde bereits erörtert.
Darüber hinaus wird unter bestimmten Voraussetzungen auch Einkommen und Vermögen anderer, mit dem Hilfebedürftigen sozial verbundener Personen auf den Bedarf des Hilfebedürftigen angerechnet.
Einfachstes Beispiel ist die Anrechnung von Elterneinkommen auf den Bedarf der Kinder. Im SGB II findet – wie im Unterhaltsrecht – eine Inanspruchnahme der Familie für den Unterhalt der Hilfebedürftigen statt. Diese Inanspruchnahme der Familie für die Versorgung der Hilfesuchenden geht im SGB II aber über das Unterhaltsrecht hinaus, insofern auch Personen in die Verantwortung genommen werden, die gar nicht mehr zur Familie im engeren Sinne gehören. Die Anrechnung von fremdem Einkommen findet nämlich nicht nur in der klassischen Kernfamilie (Ehegatten im Verhältnis zueinander und Eltern im Verhältnis zu ihren Kindern) statt, sondern überall dort, wo Personen wie eine „Familie“ füreinander einstehen. Im Kern geht es deshalb um die Inanspruchnahme nicht nur der „Familie“, sondern von sich nahestehenden Personen überhaupt für die Versorgung der jeweils anderen. Was die so zusammenlebenden Menschen (seien es Partner in einer Beziehung, seien es Eheleute oder seien es Eltern und Kinder), aus ihrer Zuneigung füreinander praktisch tun und wollen – nämlich einander in einer ausweglosen Situation helfen – greift der Gesetzgeber auf und macht diese Fürsorge zur rechtlichen Pflicht. Im Detail unterscheidet der Gesetzgeber verschiedene Formen der Anrechnung fremden Einkommens:
- Partner in Bedarfsgemeinschaft im Verhältnis zueinander
- Kindern müssen sich das Einkommen ihrer Eltern anrechnen lassen – i.d.R nicht umgekehrt
- Kinder müssen sich das Einkommen der Partner ihrer Eltern („Stiefeltern“) anrechnen lassen
- Hilfebedürftige in Haushaltsgemeinschaft mit Verwandten und Verschwägerten.
Angerechnet wird immer nur das überschüssige Einkommen. Nur wer ein Einkommen hat, das über seinen eigenen Bedarf hinausgeht, hat überschüssiges Einkommen, das angerechnet werden kann. Dieser Bedarf ist letztlich der Betrag, den man der Person, die man für den Unterhalt der anderen vereinnahmen will, zu deren eigener Existenzsicherung belässt. Die Berechnung erfolgt nach der sogenannten „vertikalen Berechnungsmethode“.
Im Einzelnen gilt:
Anrechnung von Einkommen des Partners
Leben Partner in einer Bedarfsgemeinschaft, so muss sich der eine das Einkommen des anderen anrechnen lassen.
Lies: § 9 Abs. 2 S. 1 SGB II
Partner sind:
a) die nicht dauernd getrennt lebende Ehegattin oder der nicht dauernd getrennt lebende Ehegatte,
b) die nicht dauernd getrennt lebende Lebenspartnerin oder der nicht dauernd getrennt lebende Lebenspartner,
c) eine Person, die mit der erwerbsfähigen leistungsberechtigten Person in einem gemeinsamen Haushalt so zusammenlebt, dass nach verständiger Würdigung der wechselseitige Wille anzunehmen ist, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen.
Anrechnung von Einkommen der Eltern
Nach § 9 Abs. 2 S. 2 SGB II müssen sich Kinder, die mit ihren Eltern in einer Bedarfsgemeinschaft leben, das Einkommen ihrer Eltern anrechnen lassen.
Lies: § 9 Abs. 2 S. 2 SGB II
Kinder in diesem Sinne sind alle Kinder unter im Altern 25 Jahren.
Lies: § 7 Abs. 3 Nr. 4 SGB II
Anrechnung von Einkommen des „Stiefelternteils“
Nach § 9 Abs. 2 S. 2 SGB II müssen sich Kinder nicht nur das Einkommen der eigenen Eltern, sondern auch das Einkommen des Partners oder der Partnerin des Elternteils anrechnen lassen.
Lies: § 9 Abs. 2 S. 2 SGB II
Beispiel: Frau Lindemann und ihre Tochter Janina haben kein Einkommen. Frau Rochlitz zieht mit ihrer Partnerin, Frau Grüter, zusammen. Dieser hat Einkommen. Nach Abzug seines eigenen fiktiven Bedarfes wird der Überschuss auf den Bedarf der Partnerin (§ 9 Abs. 2 S. 1 SGB II) und auf den des Kindes angerechnet und verteilt (Rechnung: Bedarf – bereinigtes Einkommen/Vermögen = Überschuss).
Ausnahme: Keine Anrechnung bei Kindern mit Kindern
Bei Kindern die Kinder haben oder bekommen findet keine Anrechnung von Elterneinkommen oder „Stiefelterneinkommen“ statt.
Lies: § 9 Abs. 3 SGB II
Haushaltsgemeinschaft
Auch sonstige Verwandte sowie Verschwägerte, die zwar nicht zur Bedarfs–(zum Begriff siehe oben), wohl aber zur Haushaltsgemeinschaft gehören, müssen füreinander einstehen, sofern ausreichendes Einkommen vorhanden ist. Hilfebedürftige erhalten keine Leistungen, wenn sie mit Verwandten (vgl. § 1589 BGB) und Verschwägerten (vgl. § 1590 BGB) in einer Haushaltsgemeinschaft leben und von diesen nach deren Einkommen und Vermögen erwartet werden kann, dass sie für die hilfebedürftigen Mitglieder der Haushaltsgemeinschaft einstehen.
Lies: § 9 Abs. 5 SGB II
In § 9 Abs. 5 SGB II heißt es, dass „vermutet wird“, dass die Hilfebedürftigen von den Verwandten bzw. Verschwägerten Leistungen erhalten. Dies ist eine häufig in Gesetzen benutzte Formulierung. Wenn etwas „vermutet wird“ bedeutet dies, dass die Behörde bzw. das Gericht zunächst davon ausgeht, dass die Sache sich so verhält, wie es der Vermutung entspricht. Wenn der Betroffene die Vermutung nicht gegen sich gelten lassen will, muss er sie „widerlegen“, also das Gegenteil beweisen oder glaubhaft machen. Eine weitere derartige Vermutung haben wir bereits in § 7 Abs. 3a SGB II (Vermutung der Partnereigenschaft) kennengelernt.
Beispiel: Die 60-jährige erwerbsfähige Gisela lebt mit ihrer 30-jährigen Tochter Jana in einem Haushalt. Tochter Jana hat ausreichendes Einkommen oder Vermögen. In diesem Fall wird vermutet, dass die Tochter die Mutter unterhält und der Mutter wird die Leistung verweigert.
Zum Rückgriff auf Verwandte und Verschwägerte in der Haushaltsgemeinschaft kommt es nur, wenn dies nach deren Einkommen und Vermögen „erwartet“ werden kann. Hiermit ist gemeint, dass ein Rückgriff auf diese Personen in diesen Verhältnissen erfolgt, wenn die Verwandten bzw. Verschwägerten über ein ausreichend hohes Einkommen verfügen. Letztlich geht es hier um die Frage, wie viel an Einkommen bzw. Vermögen man den Verwandten bzw. Verschwägerten für deren eigenen Bedarf belässt. Während bei der Anrechnung nach § 9 Abs. 2 SGB II der Partner bzw. der Elternteil nur so viel behalten darf, dass sein eigener Bedarf gedeckt ist und den Überschuss für die übrigen Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft einsetzen muss, ist es in der Haushaltsgemeinschaft nach § 9 Abs. 5 SGB II so, dass dem Verwandten bzw. Verschwägerten ein höherer Freibetrag zugebilligt wird. Dem liegt die Wertung zu Grunde, dass derjenige, der „bloß“ als Mitglied einer Haushaltsgemeinschaft in Anspruch genommen wird, mehr zustehen soll, als demjenigen der als Angehöriger der Bedarfsgemeinschaft in Anspruch genommen wird. Die Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft sind eben näher am Hilfebedürftigen dran als bloß Verwandte und Verschwägerte – so die Wertung des Gesetzes.
Welche Beträge konkret beim Verwandten bzw. Verschwägerten verbleiben dürfen, ist in § 1 Abs. 2 AlG II-Verordnung für das Einkommen bzw. in § 7 Abs. 2 AlG II-Verordnung für das Vermögen geregelt.
Lies: § 1 Abs. 2 AlG II-Verordnung, § 7 Abs. 2 AlG II-Verordnung
Anrechnung von Vermögen #
Vermögen eines Bedürftigen wird auf dessen Bedarf angerechnet (erinnere die Berechnungsformel: Bedarf EK/Vermögen = Lstg.). Die Anrechnung von Vermögen ist in § 12 SGB II geregelt. Vermögen ist – genau wie das Einkommen – vor der Anrechnung zu bereinigen (s.o.). Übersteigt das bereinigte Vermögen den eigenen Bedarf, so ist zu prüfen, ob dieser Überschuss für die eigene Existenzsicherung und/oder verwendet werden muss, andere Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft zu „versorgen“: Diese müssen sich unter bestimmten Voraussetzungen das überschüssige Vermögen anrechnen lassen (Queranrechnung von Vermögen). Übersteigt das bereinigte Vermögen den Bedarf, wird das Ergebnis der Rechnung negativ. Dieser Negativbetrag ist gegebenenfalls beim beim Bedürtigen bzw. den anderen Mitgliedern der Bedarfsgemeinschaft wie deren Vermögen anzurechnen.
Vermögensbegriff
Als Vermögen sind alle verwertbaren Gegenstände zu berücksichtigen.
Lies: § 12 Abs. 1 S. 1 SGB II
Vermögen ist daher nicht nur Geldvermögen, sondern alles was man zu Geld machen kann. Auch Häuser, Computer, Autos, Aktien, etc. sind Vermögen. Wie beim Einkommen gibt es auch beim Vermögen solche Vermögenswerte, die überhaupt nicht als Vermögen berücksichtigt werden, wie z.B. angemessener Hausrat, eine angemessenes Hausgrundstück, ein angemessener PKW, etc.
Lies: § 12 Abs. 1 S. 2 SGB II
Diese Vermögenswerte nennt man „nicht zu berücksichtigendes Vermögen“. Darüber hinaus gibt es auch hier bestimmte Beträge, die vom Vermögen abzusetzen sind. Sie heißen auch hier Absetzbeträge.
Im Einzlenen gilt:
Nicht zu berücksichtigendes Vermögen
Bestimmte Vermögensbestandteile, die für eine soziale Existenz und Teilhabe als essentiell angesehen werden, werden nicht berücksichtigt. Entscheidend ist stets die Angemessenheit. Diese ist nur gegeben, wenn der jeweilige Vermögensgegenstand nach den Umständen für einen auf Leistungen der Grundsicherung verwiesenen Menschen als üblich erscheint.
Eine besondere Rolle spielen hier insbesondere PKW, Hausrat, Hausgrundstück und Eigentumswohnung.
Lies: § 12 Abs. 3 SGB II
Absetzbeträge
Vom Vermögen sind die Freibeträge abzusetzen. Diese betragen je Person in der Bedarfsgemeinschaft 15.000,- €. Übersteigt das Vermögen einer Person in der Bedarfsgemeinschaft den Betrag nach Satz 1, sind nicht ausgeschöpfte Freibeträge der anderen Personen in der Bedarfsgemeinschaft auf diese Person zu übertragen.
Lies: § 12 Abs. 2 SGB II
Karenzzeit
Während einer sogenannten Karenzzeit von einem Jahr wird Vermögen überhaupt nicht berücksichtigt. Das gilt jedoch nicht, wenn das Vermögen erheblich ist. Erheblich ist Vermögen, wenn es in der Summe 40 000 Euro für die leistungsberechtigte Person sowie 15 000 Euro für jede weitere mit dieser in Bedarfsgemeinschaft lebendes Person übersteigt. In diese Berechnung wird ein selbst genutztes Hausgrundstück bzw. eine entsprechende Eigentumswohnung nicht mit einbezogen.
Lies: § 12 Abs. 3 – 5 SGB II