Einführung #
Die Versorgung der Bürger mit grundlegenden Bedürfnissen wie Wohnraum, Essen und Kleidung ist in der Marktwirtschaft nicht selbstverständlich. Nur wer über ein Einkommen, also Geld, verfügt, das ihm den Zugang zu diesen lebensnotwendigen Gütern sichert, kann sich selbst versorgen. Für den Großteil der Bevölkerung wird dieses Einkommen durch eigene Erwerbsarbeit oder durch Angehörige bzw. nahestehende Personen erwirtschaftet. Einige Menschen erhalten ihr Einkommen von Trägern anderer Sozialleistungen, die außerhalb des Grundsicherungssystems liegen, wie zum Beispiel die Arbeitslosenversicherung. Wer jedoch weder über eigenes Einkommen oder Vermögen noch über Unterstützung von Angehörigen oder anderen Sozialleistungsträgern verfügt, gilt als hilfebedürftig.
Lies: § 9 Abs.1 SGB II und § 19 Abs.1 SGB XII
Personen, die in diesem Sinne hilfebedürftig sind, erhalten Leistungen aus dem Grundsicherungssystem. Diese Leistungen sind nachrangig (subsidiär) gegenüber anderen Sozialleistungen.
Lies: § 9 Abs.1 SGB II und § 12a SGB II
Im SGB II gilt das sogenannte Subsidiaritätsprinzip. Diese Leistungen sind steuerfinanziert und zählen zu den sogenannten staatlichen Fürsorgeleistungen, im Gegensatz zu Versicherungsleistungen. Der Zweck der Grundsicherung ist die Existenzsicherung, also die Versorgung der hilfebedürftigen Personen mit den grundlegenden Lebensbedürfnissen („von der Hand in den Mund“). Aus diesem Grund werden Schulden in der Regel nicht übernommen, da sie vergangene und nicht mehr aktuelle Notlagen betreffen.
Grundsicherung ist der Oberbegriff für alle Leistungen an Hilfebedürftige, die den allgemein notwendigen Bedarf, wie Wohnraum, Essen und Kleidung, abdecken. Häufig wird auch der Begriff „Existenzsicherungsleistungen“ verwendet. Nicht in den Grundsicherungsleistungen enthalten sind zusätzliche Hilfebedarfe, die sich aus besonderen Lebenslagen, wie Krankheit oder Pflegebedürftigkeit, ergeben. Diese zusätzlichen Hilfen werden im 5. bis 9. Kapitel des SGB XII geregelt und als „Hilfen in besonderen Lebenslagen“ bezeichnet, im Gegensatz zur allgemeinen Lebenslage, in der der normale Lebensunterhalt nicht gesichert werden kann.
Ein weiteres wichtiges Gesetz für die Grundsicherung von Hilfebedürftigen ist das Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG). Dieses Gesetz findet nicht nur auf Asylbewerber Anwendung, sondern auch auf andere Menschen, wie geduldete Geflüchtete. Das Leistungsniveau des Asylbewerberleistungsgesetzes ist jedoch deutlich niedriger als das der normalen Grundsicherung. Zudem werden hier verstärkt Sachleistungen statt Geldleistungen gewährt.
Hartz-IV-Reform #
Fürsorgeleistungen zur Lebensunterhaltssicherung wurden bis Ende 2004 auf Grundlage des Bundessozialhilfegesetzes (BSHG) als Sozialhilfe gewährt. Das Bundessozialhilfegesetz wurde aufgehoben und im Zuge der sogenannten „Hartz IV Reform“ durch das SGB II und das SGB XII ersetzt. Kritik der damaligen rot-grünen Bundesregierung am „alten“ System war, dass das Zusammenspiel der Sozialleistungen Arbeitslosengeld, Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe dazu führe, dass Hilfesuchende keine ausreichenden Anreize hätten, einer Erwerbsarbeit nachzugehen. Außerdem wurden Sparziele verfolgt. Diese Ziele wurden durch folgende Schritte umgesetzt:
Bezugsdauer
Vor Inkrafttreten der Hartz IV Reform wurden Personen, die arbeitslos wurden und die in der Arbeitslosenversicherung (SGB III) versichert waren, zunächst Arbeitslosengeld und nach Ablauf bestimmter Zeitkorridore Arbeitslosenhilfe gezahlt. Sowohl das Arbeitslosengeld als auch die Arbeitslosenhilfe wurden der Höhe nach einkommensabhängig als Prozentsatz vom bisherigen Einkommen gezahlt, auch für die Dauer mehrerer Jahre. Hier hat die Hartz IV Reform einen radikalen Schnitt herbeigeführt. Die Arbeitslosenhilfe wurde abgeschafft. Es gibt nur noch Arbeitslosengeld I (geregelt im SGB II) als einkommensabhängige Sozialversicherungsleistung. Die Bezugsdauer wurde grundsätzlich (Ausnahmen gelten für ältere Arbeitnehmer) auf ein Jahr beschränkt. Danach erhalten alle erwerbsfähigen Arbeitslosen nur noch das sogenannte Bürgergeld, welches der Höhe nach nicht einkommensabhängig, sondern im Grundsatz für alle gleich ist (seit 2012 beträgt der Regelsatz 374 €).
Berufsschutz
Im „alten“ System von Arbeitslosengeld und Arbeitslosenhilfe gab es einen – wenn auch eingeschränkten – Berufsschutz. Im Grundsatz galt: Wer einen bestimmten Ausbildungsstand oder eine bestimmte Qualifikation erreicht hatte, brauchte sich nicht auf Arbeit niederer Qualifikation einzulassen. Dies galt während der gesamten Bezugsdauer von Arbeitslosengeld und Arbeitslosenhilfe, die – wie dargestellt – über mehrere Jahre andauern konnte. Im neuen System gibt es diesen Berufsschutz nur noch sehr beschränkt. Grundsätzlich sind einer arbeitslosen Person alle ihrer Arbeitsfähigkeit entsprechenden Beschäftigungen zumutbar, soweit allgemeine oder personenbezogene Gründe der Zumutbarkeit einer Beschäftigung nicht entgegenstehen.
Lies: § 140 SGB III, dort insbesondere Abs. 5.
Einmalige Leistungen
Im „alten“ System wurden die regelmäßig wiederkehrenden Bedarfe des täglichen Lebens durch den damals geltenden Regelsatz von knapp 300 € abgedeckt. Soweit Bedarf entstand, der über das regelmäßig Wiederkehrende hinausging (z.B. Kühlschrank, Waschmaschine), wurde dieser als einmaliger Bedarf anerkannt und als sogenannte einmalige Leistung finanziert. Diese einmaligen Leistungen wurden – bis auf wenige Ausnahmen (§ 24 Abs. 3 SGB II) – abgeschafft. Gleichzeitig wurde der Regelsatz um etwa 50 € erhöht. Bezieher von Grundsicherungsleistungen sollten dazu angehalten werden, zu sparen und bestimmte Geldbeträge für zukünftig anfallende einmalige Bedarfe zurückzulegen.
Senkung des allgemeinen Lohnniveaus
Menschen, die Erwerbseinkommen erzielen und arbeitslos werden, sind nach Ablauf des einen Jahres Bezugsdauer von Arbeitslosengeld I mit einem Absacken auf das Existenzsicherungsniveau und damit mit oft massiven Einkommenseinbrüchen konfrontiert. Dieser ökonomische Druck zwingt sie zur Annahme von Arbeit auf niedrigerem Qualifikations- und Lohnniveau. Dieses wiederum führt zu einem Mehrangebot an „billiger Arbeit“ und senkt das allgemeine Lohnniveau. Diese Wirkungen der Hartz IV Reform waren einerseits intendiert. Andererseits sieht sich der Gesetzgeber nun selbst mit dem Problem konfrontiert, dass die in den sogenannten Niedriglohnberufen gezahlten Einkommen zum Teil unter dem sogenannten Hartz-IV-Niveau liegen, sodass ergänzende Grundsicherungsleistungen notwendig werden (vgl. hierzu die Diskussion um Mindestlöhne).
Kritik der Reform von SGB II und SGB XII
Die Neuregelungen von SGB II und SGB XII waren nach ihrem Inkrafttreten vielfältiger Kritik ausgesetzt. Diese Kritik betraf einerseits die „handwerkliche“ Qualität des Gesetzes, die von vielen beanstandet wurde. Das Gesetz enthält viele Widersprüche und Unklarheiten, die zu zahllosen Sozialgerichtsverfahren geführt haben. Eine große Zahl der Klagen vor den Sozialgerichten ist erfolgreich. Andererseits bezog sich die Kritik auch auf rechtspolitische Aspekte des Gesetzes.
Bürgergeld-Reform #
Das Bürgergeld hat zum 1. Januar 2023 das Arbeitslosengeld II abgelöst. Die Bedarfe werden zukünftig nicht mehr rückwirkend, sondern vorausschauend an die Teuerungsraten angepasst. Die Regelsätze wurden erhöht. Die Kosten für Unterkunft werden künftig in tatsächlicher Höhe und die Heizkosten in angemessener Höhe anerkannt und übernommen. Wer auf Bürgergeld angewiesen ist, darf in der Karenzzeit das Ersparte grundsätzlich behalten. Die Freibeträge wurden deutlich erhöht.
Das Sanktionssystem wurde geändert. Bei der ersten Pflichtverletzung mindert sich das Bürgergeld für einen Monat um zehn Prozent, bei der zweiten für zwei Monate um 20 Prozent und bei der dritten für drei Monate um 30 Prozent. Eine Leistungsminderung darf nicht erfolgen, wenn sie im konkreten Einzelfall zu einer außergewöhnlichen Härte führen würde.
Zuordnung zum Bürgergeld-System #
Das „alte“ Bundessozialhilfegesetz geht in das SGB II und SGB XII über. Hintergrund dieser Aufteilung ist, dass der Gesetzgeber mit der Hartz-IV-Reform eine Differenzierung der Hilfebedürftigen einführen will: in diejenigen, die erwerbsfähig sind, und diejenigen, die nicht erwerbsfähig, vollständig erwerbsgemindert oder Senioren sind. Die Differenzierung ist im Detail etwas komplizierter. Im Grundsicherungsrecht geht es jedoch im Wesentlichen um die Unterscheidung zwischen Erwerbsfähigen auf der einen und nicht Erwerbsfähigen sowie vollständig Erwerbsgeminderten auf der anderen Seite. Regelungen für die Erwerbsfähigen sind im SGB II festgelegt, wo sie als Arbeitslose bezeichnet und behandelt werden. Die Regelungen für die nicht Erwerbsfähigen und vollständig Erwerbsgeminderten trifft das SGB XII, wo sie als Sozialfälle bezeichnet werden.
Beide Leistungssysteme weisen große Parallelen in der Art der Berechnung der jeweiligen Sozialleistungen auf. Unterschiede bestehen vor allem in den Anreizen, den Sanktionen und der Anrechnung von Einkommen und Vermögen. Bei der Berechnung von Grundsicherungsleistungen spielt die Zuordnung zum jeweiligen System (SGB II oder SGB XII) eine entscheidende Rolle. Vor jeder Berechnung muss geprüft werden, welchem System der jeweilige Hilfesuchende zugeordnet wird. Ohne diese vorherige Entscheidung über die Systemzuordnung können die Anspruchsgrundlagen nicht ermittelt werden.
Leistungen für erwerbsfähige Hilfesuchende (SGB II)
Wer Leistungen nach dem SGB II beanspruchen kann, ist in § 7 SGB II geregelt. Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II Personen, die
- das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a SGB II noch nicht erreicht haben,
- erwerbsfähig
- und hilfebedürftig sind und
- ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben.
Altersgrenzen
Im Fokus des SGB II stehen arbeitslose erwerbsfähige Erwachsene und Jugendliche. Die untere Altersgrenze liegt bei 15 Jahren. Wer das 15. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, ist nicht leistungsberechtigt. Die obere Altersgrenze liegt zwischen 65 und 67 Jahren, abhängig von den Regelungen des § 7a SGB II.
Lies: § 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB II und § 7a SGB II
Ursprünglich gilt eine Person, die das 65. Lebensjahr überschritten hat, nicht als leistungsberechtigt im Sinne des § 7 Abs. 1 SGB II. Wegen der Anhebung des Renteneintrittsalters auf 67 Jahre hat der Gesetzgeber § 7a SGB II geschaffen, wodurch die Altersgrenze im Bereich des SGB II schrittweise angehoben wird. Welche Altersgrenze für eine Person gilt, hängt dabei von ihrem Geburtsjahr ab (vgl. § 7a SGB II). Für alle, die ab 1964 geboren sind, beträgt die Altersgrenze 67 Jahre.
Erwerbsfähigkeit
Hilfebedürftige, die in der Lage sind, einer Arbeit nachzugehen, gelten als erwerbsfähig und werden dem SGB II zugeordnet. Das SGB II geht grundsätzlich davon aus, dass Hilfebedürftige erwerbsfähig sind, es sei denn, die betreffende Person ist aufgrund von Krankheit oder Behinderung nicht in der Lage, mindestens 3 Stunden am Tag zu arbeiten.
Lies: § 8 Abs. 1 SGB II
Wer also mehr als 3 Stunden täglich arbeiten kann oder weniger als 3 Stunden, aber nicht aufgrund von Krankheit oder Behinderung daran gehindert ist, wird dem SGB II zugeordnet. Ein Beispiel: Eine hilfebedürftige Person, die nicht arbeiten kann, weil sie ein Kleinkind betreuen muss (z. B. mangels adäquater Betreuungseinrichtungen), wird dem System des SGB II zugeordnet. Zwar kann sie in diesem Fall nicht mindestens 3 Stunden am Tag arbeiten, aber der Grund dafür liegt nicht in Krankheit oder Behinderung. Daher gilt sie als erwerbsfähig im Sinne des § 8 Abs. 1 SGB II. Ob ihr eine Arbeit zugemutet werden kann, ist eine andere Frage (vgl. hierzu § 10 Abs. 1 Nr. 3 SGB II).
Hilfebedürftigkeit
Leistungen nach dem SGB II erhält nur, wer hilfebedürftig ist.
Lies: § 9 SGB II
Einzelheiten zur Feststellung der Bedürftigkeit werden später im Zusammenhang mit der Berechnung erläutert.
Gewöhnlicher Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland
Leistungen nach dem SGB II setzen den gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland voraus. Der Begriff des gewöhnlichen Aufenthaltes (Gegenbegriff: tatsächlicher Aufenthalt) setzt voraus, dass die betreffende Person ihren Lebensmittelpunkt in Deutschland hat.
Für Menschen ohne deutsche Staatsbürgerschaft gelten Sonderregeln (vgl. § 7 Abs. 1 S. 2 und 3 SGB II).
Bedarfsgemeinschaft #
Leistungen erhalten auch Personen, die zwar selbst nicht erwerbsfähig sind, aber mit erwerbsfähigen Leistungsberechtigten in einer Bedarfsgemeinschaft leben. Mithilfe dieses Begriffes werden im SGB II Personen, die in Familien oder familienähnlichen Beziehungen zusammenleben, im Hinblick auf die Leistungsgewährung zusammengefasst.
Lies: § 7 Abs. 2 SGB II
In der Praxis geht es vor allem darum, nicht erwerbsfähige Kinder (also Kinder unter 15 Jahren) mit ihren erwerbsfähigen Eltern dem System des SGB II zuzuordnen. Vereinfacht gesagt sollen auch die „Anhängsel“ der erwerbsfähigen Hilfebedürftigen nach dem System des SGB II behandelt werden. Im Folgenden wird der Begriff der Bedarfsgemeinschaft erläutert, anschließend die rechtlichen Konsequenzen der Zugehörigkeit zu einer Bedarfsgemeinschaft.
Begriff der Bedarfsgemeinschaft
Den Begriff der Bedarfsgemeinschaft regelt § 7 Abs. 3 SGB II:
Zur Bedarfsgemeinschaft gehören
- die erwerbsfähigen Leistungsberechtigten selbst. (§ 7 Abs. 3 Nr. 1 SGB II)
- und Eltern, die im Haushalt ihrer erwerbsfähigen Kinder leben (§ 7 Abs. 3 Nr. 2 SGB II). Diese Regelung umfasst Fälle, in denen nicht erwerbsfähige Eltern und deren Partner mit ihren erwerbsfähigen Kindern im Alter zwischen 15 und 25 Jahren zusammenleben.
- Auch Partnerinnen und Partner gehören zur Bedarfsgemeinschaft (§ 7 Abs. 3 Nr. 3 SGB II). Dies bezieht sich nicht nur auf Ehegatten, sondern auch auf andere Formen von Partnerschaften, einschließlich eingetragener Lebenspartnerschaften (gleichgeschlechtliche Ehen) und ähnliche Partnerschaften. Allerdings führt nicht jede Partnerschaft automatisch zu einer Bedarfsgemeinschaft. Entscheidend ist der „wechselseitige Wille, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen.“ Die Voraussetzungen für eine solche „Verantwortungsgemeinschaft“ sind in § 7 Abs. 3a SGB II genauer definiert. Ein solcher Wille wird vermutet, wenn Partner länger als ein Jahr zusammenleben, mit einem gemeinsamen Kind zusammenleben, Kinder oder Angehörige im Haushalt versorgen oder über das Einkommen und Vermögen des anderen verfügen können. Diese Vermutung bedeutet, dass die Betroffenen den Gegenbeweis antreten müssen, wenn sie das Gegenteil behaupten. Wenn beispielsweise jemand behauptet, nur in einer Zweck-WG mit dem gemeinsamen Kind zu leben und nicht in einer Verantwortungsgemeinschaft, muss die Person dies nachweisen. Solange sie dies nicht tut, wird sie so behandelt, als lebe sie in einer Verantwortungsgemeinschaft.
- Zur Bedarfsgemeinschaft gehören nicht nur minderjährige Kinder, sondern auch volljährige Kinder, die unter 25 sind (§ 7 Abs. 3 Nr. 4 SGB II).
Rechtliche Konsequenzen einer Zuordnung zur Bedarfsgemeinschaft
Die Zuordnung und Zugehörigkeit zu einer Bedarfsgemeinschaft wirkt sich in verschiedenen Bereichen des SGB II aus:
- Höhe der Regelbedarfe: Die Regelbedarfsstufe einer Person und damit die Höhe des gezahlten Regelbedarfs hängt davon ab, ob diese Person einer Bedarfsgemeinschaft angehört (vgl. § 20 Abs. 2 und 4 SGB II). Hier zeigt sich, dass die Zugehörigkeit zu einer Bedarfsgemeinschaft für die Betroffenen nachteilig ist, da in diesem Fall nur ein geringerer Regelbedarf anerkannt wird. Da jede Berechnung von Leistungsansprüchen nach dem SGB II mit der Ermittlung des Regelbedarfs der jeweiligen Person beginnt (siehe dazu das Prüfschema zur Berechnung von Grundsicherungsansprüchen), muss die Frage, ob die betreffende Person zu einer Bedarfsgemeinschaft gehört, als Vorfrage bei jeder Berechnung geklärt werden.
- Bürgergeld für nicht erwerbsfähige Leistungsberechtigte: Ob eine Person als „Anhängsel“ einer erwerbsfähigen Person Bürgergeld nach § 19 Abs. 1 S. 2 SGB II erhält, hängt davon ab, ob sie mit dieser Person in einer Bedarfsgemeinschaft zusammenlebt.
- „Queranrechnung“ von Einkommen in Bedarfsgemeinschaften: Personen, die sich selbst unterhalten können, gelten als nicht hilfebedürftig und haben daher keinen Leistungsanspruch. Unter bestimmten Voraussetzungen gilt dies auch für Personen, die in Bedarfsgemeinschaften mit anderen leben und von deren Einkommen leben können. Ein Beispiel hierfür ist, wenn ein Partner bedürftig ist, der andere jedoch über ausreichend Einkommen verfügt, um den Partner zu versorgen.
Berechnung von Leistungen #
Die Zuordnung zum System des SGB II, entweder über die Erwerbsfähigkeit oder die Zugehörigkeit zu einer Bedarfsgemeinschaft, reicht für einen Leistungsanspruch nach dem SGB II selbstverständlich nicht aus. Grundsicherungsleistungen erhält nur, wer hilfebedürftig ist (vgl. § 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 SGB II). Hilfebedürftig ist nur, wer seinen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern kann (§ 9 Abs. 1 SGB II). Ob die Lebensunterhaltssicherung aus dem eigenen Einkommen und Vermögen „ausreicht„, wie es § 9 Abs. 1 SGB II verlangt, wird durch eine Berechnung ermittelt.
Diese Berechnung von Grundsicherungsleistungen folgt einem Schema, bei dem für jede Person, deren Anspruch zu berechnen ist, zunächst ein Bedarf ermittelt wird (§§ 19 ff. SGB II). Dieser Bedarf setzt sich im Wesentlichen aus einem sogenannten Regelsatz und individuellen Zuschlägen zu diesem Regelsatz sowie aus den Kosten für Unterkunft und Heizung zusammen. Die Summe aus Regelsatz, Zuschlägen und Kosten für Unterkunft und Heizung bildet den Bedarf. Auf diesen Bedarf wird dann das Einkommen und Vermögen der betreffenden Person angerechnet (vgl. § 19 Abs. 3 SGB II). Die Formel für die Berechnung von Grundsicherungsleistungen lautet daher:
Bedarf – Einkommen bzw. Vermögen = Leistung
Unter bestimmten Voraussetzungen wird auch das Einkommen und Vermögen anderer Personen mit angerechnet – dieses Prinzip nennt man „Queranrechnung von Einkommen“ (vgl. § 9 Abs. 2 und 5 SGB II). Neben eigenem und fremdem Einkommen und Vermögen werden auch bestimmte Sozialleistungen (z.B. Kindergeld) angerechnet. Einkommen und Vermögen werden jedoch nicht in voller Höhe angerechnet. Vielmehr erlaubt der Gesetzgeber sowohl beim Einkommen als auch beim Vermögen den Abzug bestimmter Positionen (z.B. Steuern). Nach der Bereinigung spricht man von „bereinigtem Einkommen“ bzw. „bereinigtem Vermögen“ (vgl. §§ 11b, 12 Abs. 2 SGB II). Es gibt auch Einkommen und Vermögen, welches überhaupt nicht angerechnet wird, wie z.B. Schadensersatzleistungen oder ein angemessener PKW (vgl. § 11a, 12 Abs. 3 SGB II).
Prüfungsschema
Die konkrete Berechnung von Grundsicherungsleistungen erfolgt nach einem Schema, das im Folgenden erläutert wird. Dieses Schema ist weitgehend identisch, unabhängig davon, ob die Ansprüche auf Grundlage des SGB II oder des SGB XII berechnet werden. Zunächst wird immer der Bedarf ermittelt. Dann werden das Einkommen und das Vermögen gegenübergestellt und von diesem Bedarf subtrahiert, um die Höhe der Leistung zu bestimmen.
Die Berechnung erfolgt daher stets in zwei Schritten: Zunächst wird der Bedarf festgestellt. Anschließend wird das Einkommen und Vermögen bereinigt und berücksichtigt. Eine Schwierigkeit dabei ist, dass die gesetzlichen Vorschriften für diese beiden Prüfschritte in den jeweiligen Gesetzen (SGB II und SGB XII) an unterschiedlichen Stellen zu finden sind. Es ist weder sinnvoll noch praktisch, alle diese Vorschriften auswendig zu lernen.
Einen Überblick bietet eine dazugehörige Tabelle. Im weiteren Verlauf wird das Prüfschema erläutert, wobei der Fokus auf dem SGB II liegt, da es in der Praxis das relevanteste Leistungsgesetz im Bereich der Grundsicherung ist. Die entsprechenden Vorschriften des SGB XII können aus der erwähnten Tabelle entnommen werden. Zunächst erfolgt eine Erklärung der Bedarfsermittlung, danach die Einkommensanrechnung und schließlich die Vermögensanrechnung.
Bedarf und Leistungen #
Zuerst ist der Bedarf zu ermitteln. Ein rechtlich anerkannter Bedarf besteht nur dann, wenn der Gesetzgeber der betreffenden Person einen Leistungsanspruch zugesteht. Die Ansprüche zur Sicherung des Lebensunterhaltes sind in den §§ 19-27 SGB II aufgelistet. Wer einen Überblick über diese Leistungen erhalten möchte, sollte die Überschriften der entsprechenden Vorschriften lesen. So lassen sich schnell die relevanten Leistungen für den jeweiligen Fall erkennen. Im Folgenden werden jedoch nicht alle Leistungen im Detail erläutert. Stattdessen wird nur auf die wichtigsten Grundlagen und Grundzüge eingegangen.
Berechnung von Bürgergeld
Nach § 19 Abs. 1 S. 1 SGB II erhalten erwerbsfähige Leistungsberechtigte Bürgergeld. Ebenso erhalten nach § 19 Abs. 1 S. 2 SGB II auch nicht erwerbsfähige Leistungsberechtigte, die in einer Bedarfsgemeinschaft mit erwerbsfähigen Personen leben, Bürgergeld, sofern sie keinen Anspruch auf Leistungen nach dem vierten Kapitel des Zwölften Buches haben. Dies betrifft überwiegend die Kinder der Erwerbsfähigen. Im 4. Kapitel des SGB XII sind die „Grundsicherung im Alter“ und die „Grundsicherung bei vollständiger Erwerbsminderung“ für Erwachsene geregelt.
Das Bürgergeld setzt sich aus einem pauschalierten Regelbedarf (§ 20 Abs. 1 S. 3 SGB II), eventuellen Mehrbedarfen (§ 21 SGB II) sowie den Bedarfen für Unterkunft und Heizung (§ 22 SGB II) zusammen (vgl. auch § 19 Abs. 1 S. 3 SGB II).
Regelbedarf
Mit dem Regelbedarf gelten gem. § 20 Abs. 1 S. 1 SGB II folgende Positionen zur Absicherung des Lebensunterhaltes als abgegolten:
- Ernährung,
- Kleidung,
- Körperpflege,
- Hausrat,
- Haushaltsenergie ohne die auf die Heizung und Erzeugung von Warmwasser entfallenden Anteile,
- persönliche Bedürfnisse des täglichen Lebens.
Ein Bedarf, der einem dieser Unterpunkte zugeordnet ist, kann nicht zusätzlich in einer anderen Position auf der Bedarfsseite berücksichtigt werden. Hilfesuchende können beispielsweise Stromkosten nicht als zusätzlichen Bedarf neben dem Regelbedarf geltend machen, da diese Kosten bereits als „Haushaltsenergie“ im Regelbedarf enthalten sind.
Die Regelsätze werden auf Basis des sogenannten Statistikmodells und unter Beachtung des Lohnabstandsgebotes ermittelt. Hierbei werden statistisch die Einkünfte und Gehälter in den unteren Lohngruppen ermittelt, von denen ein Abschlag gebildet wird, um den Regelbedarf abzuleiten. Das Lohnabstandsgebot soll sicherstellen, dass ein ausreichender Erwerbsanreiz für die Bezieher des Bürgergeldes besteht. Grundlage für die Regelbedarfsermittlung ist das im Zuge der Reform 2011 erlassene Regelbedarfs-Ermittlungsgesetz. Die Regelbedarfe werden jährlich fortgeschrieben (§ 20 Abs. 5 SGB II i.V.m. § 28a SGB XII).
Die Regelbedarfe sind in § 20 SGB II geregelt. Dieser verweist bezüglich der Höhe auf die sogenannte „Regelbedarfsstufen-Fortschreibungsverordnung“ (RBSFV). Durch diese Verordnung werden die Regelbedarfe jährlich angepasst. Die aktuellen Regelsätze sind unter den Regelbedarfsstufen einsehbar.
Für einen alleinstehenden, volljährigen Erwerbsfähigen wird etwa die Regelbedarfsstufe 3 anerkannt, was einem Betrag in Höhe von 360,- € (Stand: Juni 2022) entspricht.
Nach § 23 SGB II gelten für nicht erwerbsfähige Leistungsberechtigte Besonderheiten hinsichtlich der Höhe des Regelsatzes. Besonders zu beachten sind hier die Altersabstufungen bei Kindern.
Mehrbedarf
Grundsicherungsleistungen sind nach dem jeweiligen Hilfebedarf im Einzelfall zu gewähren. Dieses Prinzip wird als „Bedarfsdeckungsgrundsatz“ bezeichnet. Grundsicherungsleistungen müssen daher in ihrer Höhe an die Besonderheiten des Einzelfalls angepasst werden. Ein Instrument hierfür ist die Gewährung sogenannter Mehrbedarfe nach § 21 SGB II, die bei bestimmten Lebenslagen gezahlt werden. Mehrbedarfe werden anerkannt für:
a. Schwangere
b. Alleinerziehende
c. behinderte Menschen, denen Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben gewährt werden
d. kranke Menschen, die einer kostenaufwändigen Ernährung bedürfen
e. sowie in sonstigen Fällen (vgl. § 21 Abs. 6 und 7 SGB II)
Besondere praktische Bedeutung haben die Mehrbedarfe für Alleinerziehende, weil von diesen knapp 50 % auf Leistungen nach dem SGB II angewiesen sind. Die Höhe der Mehrbedarfe wird in Prozent vom Regelbedarf ausgedrückt (vgl. § 21 SGB II). Für Alleinerziehende mit 2 oder 3 Kindern unter 16 Jahren beträgt der Mehrbedarfzuschlag z.B. 36 %.
Unterkunft und Heizung
Den dritten und letzten Bestandteil des Arbeitslosengeldes II bzw. Sozialgeldes bildet der Bedarf für Unterkunft und Heizung. Bezüglich der Höhe ist der tatsächliche Bedarf, also die konkrete Wohnsituation, maßgeblich, allerdings nur, soweit diese als „angemessen“ gilt (z.B. 55-60 qm im Zweipersonenhaushalt). Hierbei sind „einfache Standards“ zugrunde zu legen (§ 22a Abs. 3 SGB II). Bei der Berechnung der SGB II-Leistung werden die Wohnungskosten nach Kopfteilen aufgeteilt. Die Angemessenheit der Wohnkosten wurde früher anhand der Größe der Wohnung, der Quadratmetermiete und vor allem der Höhe der Nebenkosten stets im Einzelfall bestimmt, was häufig zu Auseinandersetzungen vor den Sozialgerichten führte. Welche Kosten als angemessen gelten, kann mittlerweile durch örtliche Richtlinien festgelegt werden (vgl. § 22a SGB II).
Besonderheiten bestehen
- in Bezug auf die Unterkunftskosten bei Auszug unter 25-Jähriger: Nach § 22 Abs. 5 SGB II werden Bedarfe für Unterkunft und Heizung bei jungen Erwerbsfähigen unter 25, die von zu Hause ausziehen, nur in Ausnahmefällen anerkannt, wenn der zuständige kommunale Träger die Kostenübernahme vor Abschluss des Mietvertrags zugesichert hat. Diese Zusage wird nur bei Vorliegen besonderer Gründe erteilt (z.B. Umzug aufgrund einer Arbeitsaufnahme an einem anderen Ort). Der Zweck ist es, zu verhindern, dass unter 25-Jährige ohne eine entsprechende Notlage ausziehen.
- Übernahme von Mietschulden: Abweichend vom allgemeinen Grundsatz im SGB II, dass Schulden nicht übernommen werden, regelt § 22 Abs. 8 SGB II, dass Mietschulden übernommen werden können, wenn ansonsten Wohnungslosigkeit droht. Gleiches gilt für andere Schulden, wenn deren Übernahme eine vergleichbare Notlage verhindern kann.
Einmalige Leistungen
Mit der Einführung von SGB II und SGB XII werden die im alten BSHG geregelten „einmaligen Leistungen“ weitgehend abgeschafft. Der Bedarf zur Sicherung des Lebensunterhalts wird grundsätzlich durch die Leistungen (Bürgergeld, Mehrbedarf, Unterkunftskosten) abgedeckt. Zusätzliches Geld, etwa für die Anschaffung teurer Haushaltsgeräte, wird grundsätzlich nicht gewährt.
Ausnahmen enthält § 24 Abs. 3 SGB II. Danach sind folgende Bedarfe nicht vom Regelbedarf nach § 20 SGB II erfasst:
- Erstausstattungen für die Wohnung einschließlich Haushaltsgeräten (hier geht es nur um die erste Wohnung),
- Erstausstattungen für Bekleidung sowie für Schwangerschaft und Geburt
- Anschaffung und Reparaturen von orthopädischen Schuhen, therapeutischen Geräten und Ausrüstungen sowie die Miete solcher Geräte.
Leistungen für diese Bedarfe werden nach § 24 Abs. 3 S. 2 SGB II gesondert, also zusätzlich zum Regelbedarf, erbracht. Dabei kann die Leistung auch als sogenannte Sachleistung erbracht werden.
Unabweisbarer Bedarf als Darlehen
Wenn im Einzelfall ein vom Regelbedarf umfasster Bedarf nicht gedeckt werden kann und dieser Bedarf unabweisbar ist (Beispiel: Die Waschmaschine in einem Haushalt mit kleinen Kindern ist kaputt und es steht kein Geld für eine Neuanschaffung zur Verfügung), muss dem Leistungsberechtigten ein entsprechendes Darlehen gewährt werden. Auch hier können neben Geldleistungen Sachleistungen erbracht werden. Dieses Darlehen wird mit künftigen Leistungsansprüchen verrechnet. Der Hilfesuchende wird so zum nachträglichen Sparen gezwungen.
Kranken- und Pflegeversicherung
Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung werden grundsätzlich übernommen. Allerdings gibt es Einschränkungen, insbesondere hinsichtlich der Beitragshöhe und dem Umfang des Versicherungsschutzes.
Lies: § 26 SGB II
Weitere Leistungen
Als weitere Leistungen werden gewährt:
- Leistungen bei medizinischer Rehabilitation der Rentenversicherung und bei Anspruch auf Verletztengeld aus der Unfallversicherung (§ 25 SGB II):
- Zuschüsse zu Beiträgen zur Krankenversicherung und Pflegeversicherung (§ 26 SGB II).
- Leistungen für Auszubildende (§ 27 SGB II).
Leistungen für Bildung und Teilhabe
Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen (unter 25) werden Leistungen für Bildung und Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben in der Gemeinschaft gewährt. Diese Leistungen werden zusätzlich zum Regelbedarf gewährt. Einzelheiten ergeben sich aus § 28 Abs. 2-7 SGB II. Vorgesehen sind Leistungen für
- Schulausflüge und Klassenfahrten (Abs. 2)
- Ausstattung mit persönlichen Schulbedarf (Abs. 3),
- Schülerbeförderung (Abs. 4),
- Lernförderung (Abs. 5),
- Teilnahme an einer gemeinschaftlichen Mittagsverpflegung (Abs. 6),
- Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben in der Gemeinschaft (Sport, Spiel, Kultur, Geselligkeit, Musikunterricht, Freizeiten, etc.)
Lies: § 28 SGB II
Die Leistungen für Bildung und Teilhabe werden nicht als Geldleistungen erbracht. Vorrangig werden sie als Gutscheine oder Direktzahlungen an Anbieter solcher Dienstleistungen erbracht (§ 29 SGB II).
Anrechnung von Einkommen #
Wir erinnern uns an die Berechnungsformel:
Bedarf – Einkommen / Vermögen = Leistung.
Einkommen wird also auf den Bedarf angerechnet. Um die Anspruchsberechtigung und die Höhe der Leistung zu bestimmen, muss daher auch das Einkommen ermittelt werden. Mit dieser Ermittlung des Einkommens befassen wir uns im Folgenden.
Einkommensbegriff
Als Einkommen sind grundsätzlich alle Einnahmen in Geld oder Geldeswert zu berücksichtigen.
Lies: § 11 Abs. 1 S. 1 SGB II
Einkommen umfasst nicht nur Einkünfte aus Arbeit, sondern auch andere Geldzuflüsse oder solche von Geldeswert. Dazu zählen beispielsweise Unterhaltsleistungen sowie bestimmte Sozialleistungen wie Rente. Einkünfte von Geldeswert können auch in Form von kostenloser Versorgung mit Essen oder Wohnraum vorliegen.
Von diesem Grundprinzip, dass alle Einnahmen in Geld oder Geldeswert als Einkommen gelten, macht der Gesetzgeber jedoch Ausnahmen. Diese sind in § 11a SGB II und § 11b SGB II festgelegt. In § 11a SGB II wird geregelt, dass bestimmte Einkünfte, obwohl es sich dabei um Geldeinnahmen handelt, nicht als Einkommen berücksichtigt werden. Diese nennt man daher „nicht zu berücksichtigendes Einkommen„. Ein Beispiel hierfür sind Schmerzensgeldzahlungen nach § 253 Abs. 2 BGB (vgl. § 11a Abs. 2 SGB II). Zudem gibt es Beträge, die vom Einkommen abzuziehen sind (vgl. § 11b SGB II), die sogenannten Absetzbeträge. Die bereits genannte Formel zur Berechnung (Bedarf – Einkommen/Vermögen = Leistung) muss daher wie folgt erweitert werden:
Bedarf | – | Einkommen | = | Leistung |
---|---|---|---|---|
Regelbedarf | Bruttoeinkommen | |||
zzgl. Mehrbedarf | abzgl. Abesetzbeträge | |||
zzgl. Bedarf Unterkunft / Heizung | ||||
zzgl. etc. | ||||
Summe | – | Differenz | Leistungsbetrag |
Wichtig ist, dass auch kindbezogene Sozialleistungen wie der Kinderzuschlag und das Kindergeld als Einkommen angerechnet werden. Zwar steht das Kindergeld einkommensteuerrechtlich eigentlich den Eltern zu (vgl. § 62 EStG), doch im SGB II wird es zunächst auf den Bedarf der Kinder angerechnet. Soweit die Kinder das Kindergeld nicht für ihren eigenen Bedarf benötigen, wird es auf den Bedarf der Eltern angerechnet (vgl. § 11 Abs. 1 S. 3 SGB II).
Es gibt auch Einnahmen, die nicht als Einkommen gewertet werden:
Besonders hervorzuheben sind die sogenannten „zweckbestimmten Leistungen“. Dies sind Leistungen, die von anderen Sozialleistungsträgern zu einem ausdrücklich bestimmten sozialen Zweck gewährt werden, wie zum Beispiel Pflegegeld für die häusliche Pflege.
Wichtig sind auch Zuwendungen der freien Wohlfahrtspflege (z.B. Kleiderspenden oder Leistungen der sogenannten „Tafeln“) sowie Schmerzensgeldzahlungen und -renten. Diese Leistungen und Zahlungen werden ebenfalls nicht angerechnet.
Lies: § 11 Abs. 2 – 6 SGB II
Einkommensbereinigung
Einkommen ist vor der Anrechnung zu „bereinigen“. Das Bruttoeinkommen ist deshalb um bestimmte gesetzlich abschließend beschriebene Beträge zu reduzieren, bevor es angerechnet wird.
Folgende Beträge können abgesetzt werden:
Steuern und Sozialversicherungsbeiträge
In § 11 b Abs. 1 S. 1 Nr.1 und 2 SGB II wird klargestellt, dass nur das Nettoeinkommen angerechnet wird.
„Werbungskosten“
In den Nummern 3 bis 5 folgen Beträge, die zur Erhaltung der Erwerbsfähigkeit notwendig sind, wie Versicherungsbeiträge, Altersvorsorgebeiträge und Fahrtkosten. Diese Systematik dürfte vielen aus dem Steuerrecht bekannt sein, wo man solche Ausgaben als Werbungskosten bezeichnet. Um Verwaltungsaufwand und Kosten zu reduzieren, hat der Gesetzgeber jedoch festgelegt, dass im Regelfall keine Einzelabrechnung und kein Einzelnachweis für diese Positionen erfolgen soll. Stattdessen werden diese Ausgaben durch eine Pauschale von 100 € pro Monat abgedeckt.
Laut § 11 b Abs. 2 SGB II ist bei erwerbsfähigen Leistungsberechtigten, die einer Erwerbstätigkeit nachgehen, ein Betrag von 100 € monatlich von ihrem Einkommen abzusetzen. Wenn die tatsächlichen Kosten jedoch 100 € übersteigen, können diese nur dann geltend gemacht werden, wenn das Erwerbseinkommen mehr als 400 € beträgt.
Lies: § 11 b Abs. 2 SGB II
Wird von der Möglichkeit, Einzelnachweise zu erbringen Gebrauch gemacht, gelten innerhalb dieses Systems wiederum Pauschalen. Einzelheiten ergeben sich aus § 6 AlG-II Verordnung.
Lies: § 6 Alg II-V
Eine wichtige Rolle spielen bei § 6 Alg II-V die Pauschalbeträge für Versicherungen. Diese können von Leistungsberechtigten, die nicht erwerbstätig sind und somit tatsächlich nicht arbeiten, nicht über die 100-Euro-Pauschale nach § 11b Abs. 2 S. 1 SGB II geltend gemacht werden, da diese Pauschale nur vom Erwerbseinkommen abgezogen werden kann. Wenn also eine Person kein Erwerbseinkommen hat, entfällt diese Pauschale. Hier greift jedoch § 6 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 Alg II-V, der einen Betrag von 30 Euro monatlich pauschal für angemessene private Versicherungen absetzbar macht. Die Voraussetzung dafür ist lediglich, dass tatsächlich Versicherungsbeiträge anfallen.
Wenn es um Versicherungen von Kindern geht, können diese ebenfalls abgesetzt werden, auch wenn die Versicherung nicht vom Kind selbst abgeschlossen wurde. Selbst dann, wenn das Kind zusammen mit den Eltern versichert ist, kann die Pauschale geltend gemacht werden.
Sofern der konkrete Fall keine Hinweise darauf liefert, dass die in § 11b Abs. 1 Nrn. 3 – 5 SGB II genannten Ausgaben höher sind oder der Berechtigte nicht mehr als 400 € verdient, wird stets automatisch ein Betrag von 100 € vom Einkommen abgezogen. Das bedeutet, dass angenommen wird, der Berechtigte habe entsprechende Kosten in Höhe von 100 €, unabhängig davon, ob diese tatsächlich bestehen oder nicht. Eine Prüfung dieser Ausgaben erfolgt nicht.
Erwerbsanreiz
Nach § 11 b Abs. 1 S. 1 Nr.6 SGB II ist ferner ein Betrag nach Abs. 3 abzusetzen.
Lies: § 11b Abs. 3 SGB II
Während der Gesetzgeber beim zuvor erläuterten Absetzbetrag von 100 € für erwerbsfähige und erwerbstätige Leistungsberechtigte davon ausgeht, dass diese Kosten einen bestimmten Aufwand auf Seiten des Leistungsberechtigten decken, hat der Absetzbetrag nach Abs. 3 einen anderen Zweck. Hier geht es nicht um die Abgeltung von Aufwand, sondern um einen Anreiz, arbeiten zu gehen. Der Gedanke dahinter ist, dass diejenigen, die arbeiten, belohnt werden sollen, indem ihnen nicht das gesamte Einkommen durch Anrechnung wieder entzogen wird.
§ 11b Abs. 3 S. 1 SGB II regelt, dass bei erwerbsfähigen Leistungsberechtigten, die erwerbstätig sind, ein weiterer Betrag von ihrem monatlichen Einkommen aus Erwerbstätigkeit abgesetzt werden kann. Dieser Betrag soll also als Anreiz dienen und wird vom Bruttolohn abgezogen.
§ 11b Abs. 3 S. 2 SGB II gibt zudem vor, wie hoch der abzuziehende Betrag als Erwerbsanreiz ist. Es wird eine Prozentrechnung vorgenommen: eine Person, die nicht mehr als 520 € verdient, soll von ihrem Einkommen 20 % absetzen können. Zusätzlich ist aber zu berücksichtigen, dass vom Einkommen Erwerbstätiger ja bereits ein Betrag in Höhe von 100 € für „Werbungskosten“ abzusetzen ist. Es ist deshalb geregelt, dass die 20 % sich nur auf denjenigen Teil des Einkommens beziehen, der 100 € übersteigt, aber nicht mehr als 520 € beträgt.
Beispiel: Wer also genau 520 € Bruttoeinkommen hat, kann 84 € absetzen. Die Rechnung lautet: (520 – 100) * 20 % = 84. Wer zum Beispiel ein Einkommen in Höhe von 450 € hat kann 70 € absetzen. Die Rechnung lautet: (450 -100) *20% = 70.
Werden die 520 € überschritten gilt: für den Betrag von 520 € bis 1.000 € dürfen zusätzlich 30 % vom Erwerbseinkommen abgesetzt werden. Für den Betrag von 1.000,- € bis 1.200,- € dürfen zusätzlich 10 % abgesetzt werden.
Beispiel: Wer 1.150 € Bruttoeinkommen hat, kann 243,- € absetzen. Die Rechnung lautet: Vom Einkommen bis 520 € sind abzusetzen: (520 – 100) * 20 % = 84,- €. Vom Einkommen von 520,- € bis 1.000,- € sind abzusetzen (1000- 520) * 30 % = 144. Vom Einkommen von 1.000,- bis 1.150 € sind abzusetzen: 150 * 10 % = 15,- €. Insgesamt sind daher abzusetzen: 243,- € (84 + 144 + 15) €.
Leben Leistungsberechtigte mit mindestens einem Kind in Bedarfsgemeinschaft oder haben sie ein Kind, tritt an die Stelle des Betrages von 1.200 € ein Betrag von 1.500 €.
Beispiel: Wer mit seinem Kind zusammenlebt und 1.450 € Bruttoeinkommen hat, kann 273,- € absetzen. Die Rechnung lautet: Vom Einkommen bis 520 € sind abzusetzen: (520 – 100) * 20 % = 84,- €. Vom Einkommen von 520,- € bis 1.000,- € sind abzusetzen (1000- 520) * 30 % = 144. Vom Einkommen von 1.000,- bis 1.150 € sind abzusetzen: 450 * 10 % = 45,- €. Insgesamt sind daher abzusetzen: 243,- € (84 + 144 + 45).
Bereinigtes Einkommen
Das bereinigte Einkommen besteht somit im Ergebnis aus der Differenz zwischen dem Einkommen i.S.d. § 11 Abs. 1 SGB II und den Absetzbeträgen nach § 11b Abs. 2 und 3 SGB II.
Anrechnung von fremdem Einkommen #
Wie bereits dargelegt, ist leistungsberechtigt im Sinne des SGB II nur, wer hilfebedürftig ist (§ 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 SGB II). Der Begriff der Hilfebedürftigkeit wird in § 9 SGB II definiert. Demnach gilt eine Person nicht als hilfebedürftig, wenn sie ihren Lebensunterhalt durch ausreichendes eigenes Einkommen oder Vermögen sichern kann oder Leistungen von anderen Sozialleistungsträgern (wie z.B. Krankengeld von der gesetzlichen Krankenversicherung) bezieht. Dieser Aspekt der Sicherung des Lebensunterhalts durch eigenes Einkommen, Vermögen oder Sozialleistungen wurde bereits erörtert.
Darüber hinaus wird unter bestimmten Voraussetzungen auch das Einkommen und Vermögen anderer Personen, die sozial mit dem Hilfebedürftigen verbunden sind, auf den Bedarf des Hilfebedürftigen angerechnet.
Ein einfaches Beispiel für die Anrechnung von fremdem Einkommen ist die Anrechnung des Elterneinkommens auf den Bedarf der Kinder. Im SGB II wird, ähnlich wie im Unterhaltsrecht, die Familie zur Unterstützung der hilfebedürftigen Personen herangezogen. Diese Inanspruchnahme der Familie geht im SGB II jedoch über das Unterhaltsrecht hinaus. So werden auch Personen in die Verantwortung genommen, die nicht mehr im engeren Sinne zur Familie gehören. Die Anrechnung von fremdem Einkommen betrifft daher nicht nur die klassische Kernfamilie, also Ehegatten im Verhältnis zueinander und Eltern im Verhältnis zu ihren Kindern, sondern auch Personen, die füreinander wie in einer „Familie“ sorgen. Es geht dabei im Wesentlichen um die Inanspruchnahme von nahestehenden Personen, die sich gegenseitig in einer Notlage unterstützen. Diese Fürsorge wird vom Gesetzgeber zur rechtlichen Pflicht gemacht.
Der Gesetzgeber unterscheidet verschiedene Formen der Anrechnung fremden Einkommens:
- Partner in einer Bedarfgemeinschaft müssen sich gegenseitig das Einkommen anrechnen lassen
- Kinder müssen sich in der Regel das Einkommen ihrer Eltern anrechnen lassen – jedoch nicht umgekehrt
- Kinder müssen sich auch das Einkommen der Partner ihrer Eltern (Stiefeltern) anrechnen lassen
- Hilfebedürftige in Haushaltsgemeinschaft mit Verwandten und Verschwägerten.
Es wird jedoch immer nur das überschüssige Einkommen angerechnet. Nur wer ein Einkommen hat, das über seinen eigenen Bedarf hinausgeht, hat überschüssiges Einkommen, das zur Versorgung der anderen angerechnet werden kann. Dieser Bedarf entspricht dem Betrag, der der Person zur eigenen Existenzsicherung verbleiben muss. Die Berechnung erfolgt nach der sogenannten „vertikalen Berechnungsmethode“.
Im Einzelnen gilt:
Anrechnung von Einkommen des Partners
Leben Partner in einer Bedarfsgemeinschaft, so muss sich der eine das Einkommen des anderen anrechnen lassen.
Lies: § 9 Abs. 2 S. 1 SGB II
Partner sind:
a) die nicht dauernd getrennt lebende Ehegattin oder der nicht dauernd getrennt lebende Ehegatte,
b) die nicht dauernd getrennt lebende Lebenspartnerin oder der nicht dauernd getrennt lebende Lebenspartner,
c) eine Person, die mit der erwerbsfähigen leistungsberechtigten Person in einem gemeinsamen Haushalt so zusammenlebt, dass nach verständiger Würdigung der wechselseitige Wille anzunehmen ist, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen.
Anrechnung von Einkommen der Eltern
Nach § 9 Abs. 2 S. 2 SGB II müssen sich Kinder, die mit ihren Eltern in einer Bedarfsgemeinschaft leben, das Einkommen ihrer Eltern anrechnen lassen.
Lies: § 9 Abs. 2 S. 2 SGB II
Kinder in diesem Sinne sind alle Kinder unter im Altern 25 Jahren.
Lies: § 7 Abs. 3 Nr. 4 SGB II
Anrechnung von Einkommen des „Stiefelternteils“
Nach § 9 Abs. 2 S. 2 SGB II müssen sich Kinder nicht nur das Einkommen der eigenen Eltern, sondern auch das Einkommen des Partners oder der Partnerin des Elternteils anrechnen lassen.
Lies: § 9 Abs. 2 S. 2 SGB II
Beispiel: Frau Rochlitz und ihre Tochter Janina haben kein Einkommen.Frau Rochlitz zieht mit ihrer Partnerin, Frau Grüter, zusammen, die Einkommen hat. Nach Abzug des eigenen fiktiven Bedarfs von Frau Grüter wird der Überschuss auf den Bedarf ihrer Partnerin (§ 9 Abs. 2 S. 1 SGB II) und den Bedarf des Kindes angerechnet und verteilt. Die Rechnung lautet dabei: Bedarf – bereinigtes Einkommen/Vermögen = Überschuss.
Ausnahme: Keine Anrechnung bei Kindern mit Kindern
Bei Kindern die Kinder haben oder bekommen findet keine Anrechnung von Elterneinkommen oder „Stiefelterneinkommen“ statt.
Lies: § 9 Abs. 3 SGB II
Haushaltsgemeinschaft
Auch sonstige Verwandte sowie Verschwägerte, die zwar nicht zur Bedarfsgemeinschaft (siehe oben), aber zur Haushaltsgemeinschaft gehören, sind verpflichtet, füreinander einzustehen, wenn ausreichendes Einkommen vorhanden ist. Hilfebedürftige erhalten keine Leistungen, wenn sie mit Verwandten (vgl. § 1589 BGB) oder Verschwägerten (vgl. § 1590 BGB) in einer Haushaltsgemeinschaft leben und erwartet werden kann, dass diese aufgrund ihres Einkommens oder Vermögens für die hilfebedürftigen Mitglieder der Haushaltsgemeinschaft aufkommen.
Lies: § 9 Abs. 5 SGB II
In § 9 Abs. 5 SGB II heißt es, dass vermutet wird, dass die Hilfebedürftigen von ihren Verwandten bzw. Verschwägerten Leistungen erhalten. Diese Formulierung ist in Gesetzen häufig anzutreffen. Wenn etwas vermutet wird, geht die Behörde oder das Gericht zunächst davon aus, dass sich die Situation so verhält, wie es der Vermutung entspricht. Will der Betroffene diese Vermutung nicht gegen sich gelten lassen, muss er sie widerlegen, also das Gegenteil beweisen oder glaubhaft machen. Eine ähnliche Vermutung haben wir bereits in § 7 Abs. 3a SGB II (Vermutung der Partnereigenschaft) kennengelernt.
Beispiel: Die 60-jährige erwerbsfähige Gisela lebt mit ihrer 30-jährigen Tochter Jana in einem Haushalt. Jana hat ausreichendes Einkommen oder Vermögen. In diesem Fall wird vermutet, dass die Tochter ihre Mutter unterstützt, und die Mutter erhält keine Leistung.
Der Rückgriff auf Verwandte und Verschwägerte in der Haushaltsgemeinschaft erfolgt nur, wenn dies nach deren Einkommen und Vermögen zu erwarten ist. Das bedeutet, ein Rückgriff findet nur statt, wenn die Verwandten oder Verschwägerten über ausreichend hohes Einkommen verfügen. Letztlich geht es darum, wie viel Einkommen oder Vermögen den Verwandten bzw. Verschwägerten für ihren eigenen Bedarf belassen wird. Während bei der Anrechnung nach § 9 Abs. 2 SGB II dem Partner oder Elternteil nur so viel Einkommen oder Vermögen verbleibt, dass ihr eigener Bedarf gedeckt ist und der Überschuss für die übrigen Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft verwendet wird, wird in der Haushaltsgemeinschaft nach § 9 Abs. 5 SGB II ein höherer Freibetrag gewährt. Die Idee dahinter ist, dass diejenigen, die nur als Mitglieder einer Haushaltsgemeinschaft in Anspruch genommen werden, mehr behalten sollen als Angehörige der Bedarfsgemeinschaft. Dies beruht auf der Wertung, dass Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft dem Hilfebedürftigen näherstehen als bloße Verwandte oder Verschwägerte.
Die genauen Freibeträge, die Verwandten oder Verschwägerten verbleiben, sind in § 1 Abs. 2 AlG II-Verordnung für Einkommen und in § 7 Abs. 2 AlG II-Verordnung für Vermögen geregelt.
Lies: § 1 Abs. 2 AlG II-Verordnung, § 7 Abs. 2 AlG II-Verordnung
Anrechnung von Vermögen #
Das Vermögen eines Bedürftigen wird auf seinen Bedarf angerechnet (siehe Berechnungsformel: Bedarf – Einkommen/Vermögen = Leistung). Die Anrechnung von Vermögen ist in § 12 SGB II geregelt. Vermögen muss – ebenso wie das Einkommen – vor der Anrechnung bereinigt werden. Übersteigt das bereinigte Vermögen den eigenen Bedarf, muss geprüft werden, ob dieser Überschuss für die eigene Existenzsicherung verwendet oder auch zur Versorgung anderer Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft eingesetzt werden muss. In diesem Fall müssten sich auch die anderen Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft das überschüssige Vermögen anrechnen lassen (sogenannte Queranrechnung von Vermögen). Übersteigt das bereinigte Vermögen den Bedarf, ergibt sich ein Negativbetrag, der gegebenenfalls beim Bedürftigen bzw. bei den anderen Mitgliedern der Bedarfsgemeinschaft wie deren Vermögen angerechnet wird.
Vermögensbegriff
Als Vermögen sind alle verwertbaren Gegenstände zu berücksichtigen.
Lies: § 12 Abs. 1 S. 1 SGB II
Vermögen ist daher nicht nur Geldvermögen, sondern alles was man zu Geld machen kann. Auch Häuser, Computer, Autos, Aktien, etc. sind Vermögen. Wie beim Einkommen gibt es auch beim Vermögen solche Vermögenswerte, die überhaupt nicht als Vermögen berücksichtigt werden, wie z.B. angemessener Hausrat, eine angemessenes Hausgrundstück, ein angemessener PKW, etc.
Lies: § 12 Abs. 1 S. 2 SGB II
Diese Vermögenswerte nennt man „nicht zu berücksichtigendes Vermögen“. Darüber hinaus gibt es auch hier bestimmte Beträge, die vom Vermögen abzusetzen sind. Sie heißen auch hier Absetzbeträge.
Im Einzelnen gilt:
Nicht zu berücksichtigendes Vermögen
Bestimmte Vermögensbestandteile, die für eine soziale Existenz und Teilhabe als essenziell betrachtet werden, bleiben bei der Anrechnung unberücksichtigt. Ausschlaggebend ist dabei stets die Angemessenheit. Diese liegt nur dann vor, wenn der Vermögensgegenstand nach den Umständen für jemanden, der auf Leistungen der Grundsicherung angewiesen ist, als üblich erscheint.
Eine besondere Bedeutung haben hier insbesondere PKW, Hausrat, Hausgrundstück und Eigentumswohnung.
Lies: § 12 Abs. 3 SGB II
Absetzbeträge
Vom Vermögen sind die Freibeträge abzuziehen. Pro Person in der Bedarfsgemeinschaft beträgt dieser Freibetrag 15.000 €. Sollte das Vermögen einer Person in der Bedarfsgemeinschaft den genannten Betrag überschreiten, können die nicht ausgeschöpften Freibeträge der anderen Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft auf diese Person übertragen werden.
Lies: § 12 Abs. 2 SGB II
Karenzzeit
Während der sogenannten Karenzzeit von einem Jahr wird Vermögen grundsätzlich nicht berücksichtigt. Dies gilt jedoch nicht, wenn das Vermögen als erheblich eingestuft wird. Vermögen ist dann erheblich, wenn es 40.000 Euro für die leistungsberechtigte Person und 15.000 Euro für jede weitere Person in der Bedarfsgemeinschaft übersteigt. In diese Berechnung wird ein selbst genutztes Hausgrundstück oder eine entsprechende Eigentumswohnung nicht einbezogen.
Lies: § 12 Abs. 3 – 5 SGB II