Gesamtplanverfahren #
Das Gesamtplanverfahren ist das Verwaltungsverfahren im Eingliederungshilferecht.
Grundsätze
Sobald Eingliederungshilfeleistungen begehrt werden, hat der Eingliederungshilfeträger ein sogenanntes Gesamtplanverfahren einzuleiten.
Es dient dazu, den individuellen Bedarf sowie die passenden Leistungen zu ermitteln, sie förmlich festzustellen und auf Grundlage dessen einen entsprechenden Bescheid zu erlassen.
Das Gesamtplanverfahren ist nach folgenden Maßstäben durchzuführen:
- Beteiligung des Leistungsberechtigten in allen Verfahrensschritten, beginnend mit der Beratung,
- Dokumentation der Wünsche des Leistungsberechtigten zu Ziel und Art der Leistungen,
- Beachtung der Kriterien transparent, trägerübergreifend, interdisziplinär, konsensorientiert, individuell, lebensweltbezogen, sozialraumorientiert und zielorientiert,
- Ermittlung des individuellen Bedarfes,
- Durchführung einer Gesamtplankonferenz,
- Abstimmung der Leistungen nach Inhalt, Umfang und Dauer in einer Gesamtplankonferenz unter Beteiligung betroffener Leistungsträger.
Der Beteiligung des Leistungsberechtigten kommt dabei besondere Bedeutung zu. Er ist im Eingang des Verfahrens zu beraten und seinen Wünschen ist Rechnung zu tragen. Er ist zudem berechtigt, eine Vertrauensperson seiner Wahl am Verfahren zu beteiligen.
Das Gesamtplanverfahren verläuft in vier Stufen:
- Bedarfsermittlung
- Feststellung der Leistungen
- Gesamtplan und Erlass eines Verwaltungsaktes
- ggf. Teilhabezielvereinbarung
In bestimmten Fällen sind weitere Beteiligte in das Gesamtplanverfahren einzubeziehen:
- Bestehen Anhaltspunkte für einen Bedarf an Pflegeleistungen, so ist mit Zustimmung des Leistungsberechtigten die zuständige Pflegekasse zu beteiligen, soweit dies erforderlich ist (§ 117 Abs. 3 SGB IX).
- Bestehen Anhaltspunkte für einen Bedarf an notwendigem Lebensunterhalt, so ist mit Zustimmung des Leistungsberechtigten der zuständige Träger zu beteiligen, soweit dies erforderlich ist (§ 117 Abs. 4 SGB IX).
- Bei minderjährigen Leistungsberechtigten wird mit Zustimmung der Personensorgeberechtigten der zuständige Träger der Jugendhilfe beteiligt, soweit dies erforderlich ist (§ 117 Abs. 4 SGB IX).
Soweit Leistungen verschiedener Leistungsgruppen oder mehrerer Rehabilitationsträger erforderlich sind, wird ein Teilhabeplanverfahren nach § 19 SGB IX durchgeführt.
Bedarfsermittlung
Auf der ersten Stufe des Gesamtplanverfahrens findet die Bedarfsermittlung statt.
Gesamtplankonferenz und Feststellung der Leistungen
Auf der zweiten Stufe des Gesamtplanverfahrens findet die Gesamtplankonferenz und die Feststellung der Leistungen statt.
Im Rahmen des Gesamtplanverfahrens besteht die Möglichkeit, eine Gesamtplankonferenz durchzuführen. In der Gesamtplankonferenz kommen alle Beteiligten (Mensch mit Behinderung, mögliche Vertrauensperson, beteiligte Rehabilitationsträger, zuständiger Jugendhilfeträger) zusammen an einen Tisch. Voraussetzung für die Durchführung ist die Zustimmung des Leistungsberechtigten. Eine Pflicht zur Durchführung der Gesamtplankonferenz besteht nicht. Der zuständige Träger der Eingliederungshilfe kann die Durchführung auch ablehnen, wenn der maßgebliche Sachverhalt schriftlich ermittelt werden kann oder der Aufwand zur Durchführung nicht in einem angemessenen Verhältnis zum Umfang der beantragten Leistung steht.
Die Gesamtplankonferenz findet im Anschluss an die Bedarfsermittlung statt. Gegenstand der Gesamtplankonferenz sind insbesondere:
- die Stellungnahmen der beteiligten Leistungsträger und die gutachterliche Stellungnahme des Leistungserbringers bei Beendigung der Leistungen zur beruflichen Bildung nach § 57 SGB IX,
- die Wünsche der Leistungsberechtigten nach § 104 Abs. 2 bis 4 AGB IX,
- den Beratungs- und Unterstützungsbedarf nach § 106 SGB IX,
- die Erbringung der Leistungen.
Die Aufzählung ist nicht abschließend. Bei Bedarf können weitere Themen zum Gegenstand gemacht werden.
Lies: § 119 SGB IX
Im Anschluss an die Gesamtplankonferenz oder – wenn keine Gesamtplankonferenz durchgeführt wurde – unmittelbar nach der Bedarfsermittlung, stellen der Träger der Eingliederungshilfe und die beteiligten Leistungsträger ihre Leistungen fest.
Dabei sind die Fristen nach §§ 14 und 15 SGB IX zu beachten.
Gesamtplan und Erlass eines Verwaltungsaktes
Auf der dritten Stufe des Verfahrens wird ein Gesamtplan aufgestellt und auf Grundlage dessen ein Verwaltungsakt erlassen.
Der Gesamtplan enthält insbesondere Ausführungen zur Durchführung der einzelnen Leistungen oder einer Einzelleistung. Der Gesamtplan dient der Steuerung, Wirkungskontrolle und Dokumentation des Teilhabeprozesses. Er bedarf der Schriftform und soll regelmäßig, spätestens nach zwei Jahren, überprüft und fortgeschrieben werden.
Der Gesamtplan enthält mindestens
- die im Rahmen der Gesamtplanung eingesetzten Verfahren und Instrumente sowie die Maßstäbe und Kriterien der Wirkungskontrolle einschließlich des Überprüfungszeitpunkts,
- die Aktivitäten der Leistungsberechtigten,
- die Feststellungen über die verfügbaren und aktivierbaren Selbsthilferessourcen des Leistungsberechtigten sowie über Art, Inhalt, Umfang und Dauer der zu erbringenden Leistungen,
- die Berücksichtigung des Wunsch- und Wahlrechts nach § 8 SGB IX im Hinblick auf eine pauschale Geldleistung,
- die Erkenntnisse aus vorliegenden sozialmedizinischen Gutachten,
- das Ergebnis über die Beratung des Anteils des Regelsatzes nach § 27a Abs. 3 SGB XII, der den Leistungsberechtigten als Barmittel verbleibt, und
- die Einschätzung, ob für den Fall einer stationären Krankenhausbehandlung die Begleitung und Befähigung des Leistungsberechtigten durch vertraute Bezugspersonen zur Sicherstellung der Durchführung der Behandlung erforderlich ist.
Bei der Aufstellung des Gesamtplanes wirkt der Träger der Eingliederungshilfe zusammen mit
- dem Leistungsberechtigten,
- einer Person seines Vertrauens und
- dem im Einzelfall Beteiligten (insbesondere dem behandelnden Arzt, dem Gesundheitsamt, dem Landesarzt, dem Jugendamt und den Dienststellen der Bundesagentur für Arbeit).
Der Gesamtplan wird der leistungsberechtigten Person zur Verfügung gestellt.
Lies: § 121 SGB IX
Auf Grundlage des Gesamtplanes erlässt der Träger der Eingliederungshilfe den Verwaltungsakt über die festgestellte Leistung.
Lies: § 120 Abs. 2 S. 1 SGB IX
Im Eilfall erbringt der Träger der Eingliederungshilfe Leistungen der Eingliederungshilfe schon vor Beginn der Gesamtplankonferenz vorläufig.
Beispiel: Wurden notwendige Teilhabebedarfe bislang durch einen Angehörigen gedeckt und verstirbt dieser plötzlich, so entsteht eine Bedarfslücke. Es liegt ein Eilfall vor, der eine vorläufige Leistungserbringung notwendig macht.
Teilhabezielvereinbarung
Auf der vierten Stufe des Verfahrens steht die Teilhabezielvereinbarung. Mit ihr können Vereinbarungen über die Umsetzung der Mindestinhalte des Gesamtplanes oder von Teilen der Mindestinhalte des Gesamtplanes getroffen werden. Eine Verpflichtung zum Abschluss der Teilhabezielvereinbarung besteht nicht. Die Teilhabezielvereinbarung wird für die Dauer des Bewilligungszeitraumes der Leistungen der Eingliederungshilfe abgeschlossen, soweit sich aus ihr nichts Abweichendes ergibt. Bestehen Anhaltspunkte dafür, dass die Vereinbarungsziele nicht oder nicht mehr erreicht werden, hat der Träger der Eingliederungshilfe die Teilhabezielvereinbarung anzupassen.
Lies: § 122 SGB IX
Teilhabeplanverfahren #
Soweit Leistungen verschiedener Leistungsgruppen oder mehrerer Rehabilitationsträger erforderlich sind, ist der leistende Rehabilitationsträger dafür verantwortlich, ein Teilhabeplanverfahren durchzuführen. Das Teilhabeplanverfahren umfasst das Gesamtplanverfahren. Die beteiligten Rehabilitationsträger sollen dabei im Benehmen miteinander und in Abstimmung mit den Leistungsberechtigten die nach dem individuellen Bedarf voraussichtlich erforderlichen Leistungen hinsichtlich Ziel, Art und Umfang funktionsbezogen feststellen. Die Feststellung hat schriftlich oder elektronisch zu erfolgen.
Ziel ist ein nahtloses Ineinandergreifen der Leistungen, damit diese optimal auf den individuellen Bedarf des Leistungsberechtigten abgestimmt sind und es trotz der Beteiligung verschiedener Träger nicht zu Bedarfslücken kommt.
Der verantwortliche Rehabilitationsträger kann mit Zustimmung des Leistungsberechtigten eine Teilhabekonferenz durchführen, um den Rehabilitationsbedarf festzustellen.
Auf Grundlage der Feststellungen der Leistungen wird ein Teilhabeplan erstellt.
Der Teilhabeplan dokumentiert
- den Tag des Antragseingangs beim leistenden Rehabilitationsträger und das Ergebnis der Zuständigkeitsklärung und Beteiligung nach den §§ 14 und 15 SGB IX,
- die Feststellungen über den individuellen Rehabilitationsbedarf auf Grundlage der Bedarfsermittlung nach § 13 SGB IX,
- die zur individuellen Bedarfsermittlung nach § 13 SGB IX eingesetzten Instrumente,
- die gutachterliche Stellungnahme der Bundesagentur für Arbeit nach § 54 SGB IX,
- die Einbeziehung von Diensten und Einrichtungen bei der Leistungserbringung,
- erreichbare und überprüfbare Teilhabeziele und deren Fortschreibung,
- die Berücksichtigung des Wunsch- und Wahlrechts nach § 8 SGB IX, insbesondere im Hinblick auf die Ausführung von Leistungen durch ein Persönliches Budget,
- die Dokumentation der einvernehmlichen, umfassenden und trägerübergreifenden Feststellung des Rehabilitationsbedarfs in den Fällen nach § 15 Abs. 3 S. 1 SGB IX,
- die Ergebnisse der Teilhabeplankonferenz nach § 20 SGB IX,
- die Erkenntnisse aus den Mitteilungen der nach § 22 SGB IX einbezogenen anderen öffentlichen Stellen,
- die besonderen Belange pflegender Angehöriger bei der Erbringung von Leistungen der medizinischen Rehabilitation und
- die Leistungen zur Eingliederung in Arbeit nach dem Zweiten Buch, soweit das Jobcenter zu beteiligen ist.
Der Teilhabeplan wird entsprechend dem Verlauf der Rehabilitation angepasst.
Die Rehabilitationsträger legen den Teilhabeplan bei der Entscheidung über den Antrag zugrunde.
Zu den Einzelheiten, lies: §§ 19 bis 22 SGB IX