Historische Entwicklung der Inklusion #
Von der Exklusion zur Inklusion
Die Entwicklung des Inklusionsgedankens lässt sich in mehreren historischen Phasen nachzeichnen, die jeweils unterschiedliche gesellschaftliche Paradigmen im Umgang mit Verschiedenheit widerspiegeln. Diese Entwicklung ist keineswegs als streng chronologische Abfolge zu verstehen, vielmehr existieren die verschiedenen Ansätze teilweise bis heute parallel.
Die Phase der Exklusion, die bis etwa in die 1960er Jahre dominierte, war durch einen weitgehenden Ausschluss von Menschen mit Behinderungen oder anderen Besonderheiten aus der Gesellschaft gekennzeichnet. Die Unterbringung erfolgte häufig in speziellen Einrichtungen, die räumlich und sozial von der Mehrheitsgesellschaft getrennt waren. Diese Separation wurde damals mit vermeintlich fürsorglichen Argumenten begründet, führte jedoch zu massiver gesellschaftlicher Ausgrenzung.
In der darauf folgenden Phase der Segregation, die etwa von 1960 bis 1980 das vorherrschende Paradigma darstellte, entwickelte sich ein ausdifferenziertes System spezialisierter Einrichtungen und Fördersysteme. Menschen mit Behinderungen erhielten zwar nun gezielte Förderung und Unterstützung, diese fand jedoch weiterhin in separierten Settings statt. Die Spezialisierung führte einerseits zu einer Professionalisierung der Hilfen, verfestigte aber andererseits die gesellschaftliche Trennung.
Die Phase der Integration, die etwa ab 1980 einsetzte, brachte einen wichtigen Paradigmenwechsel mit sich. Erstmals wurde das Ziel formuliert, Menschen mit Behinderungen in bestehende gesellschaftliche Strukturen einzugliedern. Der Fokus lag dabei allerdings noch stark auf der Anpassungsleistung der zu integrierenden Personen. Menschen mit Behinderungen mussten sich den vorhandenen Strukturen weitgehend anpassen, um teilhaben zu können.
Seit etwa dem Jahr 2000 entwickelt sich zunehmend das Paradigma der Inklusion. Dieser Ansatz stellt einen fundamentalen Perspektivwechsel dar: Nicht mehr der einzelne Mensch muss sich anpassen, sondern die Gesellschaft ist aufgefordert, Strukturen zu schaffen, die allen Menschen von vornherein Teilhabe ermöglichen. Inklusion versteht Verschiedenheit als Normalität und Bereicherung.
Internationale Entwicklungen
Die internationale Entwicklung des Inklusionsgedankens wurde durch mehrere bedeutende Meilensteine geprägt. Die Salamanca-Erklärung der UNESCO von 1994 markierte einen ersten wichtigen Wendepunkt, indem sie das Recht auf Bildung für alle Menschen unabhängig von individuellen Unterschieden oder Schwierigkeiten festschrieb.
Die UN-Behindertenrechtskonvention von 2006 stellt einen weiteren Meilenstein dar. Sie formuliert Inklusion erstmals als einklagbares Menschenrecht und verpflichtet die Unterzeichnerstaaten zu konkreten Maßnahmen in allen gesellschaftlichen Bereichen.
Die UN-Nachhaltigkeitsziele (SDGs) von 2015 greifen den Inklusionsgedanken explizit auf und verankern ihn in einem breiten gesellschaftlichen Entwicklungskontext. Sie verdeutlichen, dass Inklusion eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe darstellt, die weit über den Behindertenbereich hinausgeht.
Theoretische Grundlagen #
Begriffsdefinitionen
Der Begriff der Inklusion bezeichnet einen gesamtgesellschaftlichen Ansatz, der die gleichberechtigte Teilhabe aller Menschen in allen Lebensbereichen zum Ziel hat. Dabei werden Unterschiede zwischen Menschen nicht nur akzeptiert, sondern als Bereicherung und Normalität verstanden. Diese Definition macht deutlich, dass Inklusion weit über die bloße Integration von Menschen mit Behinderungen hinausgeht.
Der Begriff der Teilhabe umfasst u.a. die aktive Einbindung von Menschen in gesellschaftliche Prozesse und Entscheidungen. Teilhabe geht damit deutlich über bloße Anwesenheit oder passive Integration hinaus. Sie erfordert echte Partizipationsmöglichkeiten und die Chance zur aktiven Mitgestaltung gesellschaftlicher Prozesse.
Der Begriff der Barrierefreiheit hat in den letzten Jahren eine bedeutende Erweiterung erfahren. Er beschränkt sich nicht mehr nur auf die physische Zugänglichkeit von Gebäuden und Einrichtungen, sondern umfasst multiple Dimensionen. Die physische Barrierefreiheit bezieht sich auf die bauliche Gestaltung von Räumen und Zugängen, sodass diese von allen Menschen unabhängig von körperlichen Einschränkungen genutzt werden können. Die kommunikative Barrierefreiheit gewährleistet, dass Informationen und Kommunikationsangebote für alle Menschen zugänglich und verständlich sind, etwa durch die Verwendung von Leichter Sprache oder Gebärdensprache. Die soziale Barrierefreiheit zielt auf den Abbau von Vorurteilen und diskriminierenden Strukturen ab. Die institutionelle Barrierefreiheit bezieht sich auf die Gestaltung von Verwaltungsabläufen und organisatorischen Prozessen. Die ökonomische Barrierefreiheit gewährleistet, dass finanzielle Hürden niemanden von der Teilhabe ausschließen.
Theoretische Ansätze
Der Capabilities Approach, der von Martha Nussbaum entwickelt wurde, betrachtet Inklusion aus der Perspektive der Verwirklichungschancen. Dieser Ansatz fragt danach, welche grundlegenden Fähigkeiten Menschen benötigen, um ein selbstbestimmtes Leben führen zu können. Dabei geht es nicht nur um formale Rechte, sondern um reale Möglichkeiten zur Verwirklichung eines guten Lebens. Der Ansatz bietet wichtige Orientierungspunkte für die Gestaltung inklusiver Angebote in der Kinder- und Jugendhilfe.
Die Theorie der trilemmatischen Inklusion nach Mai-Anh Boger (2021) beschreibt Inklusion als ein komplexes Spannungsfeld zwischen drei Polen: Der Normalisierung, die auf gleichberechtigte Teilhabe am gesellschaftlichen Leben abzielt, dem Empowerment, das die Stärkung und Selbstermächtigung marginalisierter Gruppen in den Mittelpunkt stellt, und der Dekonstruktion, die bestehende Kategorisierungen und Zuschreibungen kritisch hinterfragt. Diese drei Aspekte stehen in einem dynamischen Verhältnis zueinander und können nicht gleichzeitig maximiert werden.
Der systemtheoretische Ansatz nach Niklas Luhmann analysiert Inklusion und Exklusion als fundamentale gesellschaftliche Mechanismen der Teilhabe beziehungsweise des Ausschlusses von sozialen Systemen. Dieser Ansatz ermöglicht es, strukturelle Ausschlussmechanismen zu identifizieren und zu verstehen, wie diese in verschiedenen gesellschaftlichen Teilsystemen wirken.
Rechtliche Grundlagen #
Internationale Rechtsgrundlagen
Die UN-Behindertenrechtskonvention formuliert in Artikel 7 spezifische Rechte von Kindern mit Behinderungen. Diese umfassen das Recht auf gleichberechtigte Teilhabe in allen Lebensbereichen, den Vorrang des Kindeswohls bei allen Entscheidungen sowie das Recht auf Meinungsäußerung und die Berücksichtigung dieser Meinung entsprechend Alter und Reife des Kindes. Die Konvention verpflichtet die Unterzeichnerstaaten zu konkreten Maßnahmen zur Umsetzung dieser Rechte.
Die UN-Kinderrechtskonvention enthält mehrere für die Inklusion besonders relevante Artikel. Artikel 2 formuliert ein umfassendes Diskriminierungsverbot, das alle Kinder unabhängig von ihren individuellen Merkmalen oder Lebensumständen schützt. Artikel 23 widmet sich speziell der Förderung behinderter Kinder und betont deren Recht auf ein erfülltes und menschenwürdiges Leben. Artikel 12 verankert die Berücksichtigung des Kindeswillens als fundamentales Recht.
Nationale Rechtsgrundlagen
Das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland enthält mehrere für die Inklusion zentrale Bestimmungen. Artikel 3 Absatz 3 Satz 2 formuliert ein explizites Benachteiligungsverbot aufgrund von Behinderung. Dieses Verbot wird durch das Sozialstaatsprinzip des Artikel 20 Absatz 1 ergänzt, das den Staat zu aktivem Handeln für soziale Gerechtigkeit verpflichtet.
Das SGB VIII (Kinder- und Jugendhilfegesetz) wurde durch das Kinder- und Jugendstärkungsgesetz (KJSG) grundlegend reformiert. Die wichtigsten Neuerungen umfassen die Verankerung der Inklusion als Leitprinzip in § 1, die Stärkung der Beteiligungsrechte in § 8 sowie die Berücksichtigung der Grundrichtung der Erziehung in § 9. Besondere Bedeutung kommt der Eingliederungshilfe nach § 35a zu. Die §§ 79 und 80 regeln die Gesamtverantwortung und Grundausstattung sowie die Jugendhilfeplanung unter inklusiven Gesichtspunkten.
Das Bundesteilhabegesetz (BTHG) bringt fundamentale Veränderungen für die Eingliederungshilfe mit sich. Es vollzieht einen Paradigmenwechsel von der Institutionen- zur Personenzentrierung und trennt Fachleistungen von existenzsichernden Leistungen. Besonders bedeutsam ist die neue Definition von Behinderung, die sich am Modell der International Classification of Functioning, Disability and Health (ICF) orientiert und Behinderung als Wechselwirkung zwischen individuellen Beeinträchtigungen und gesellschaftlichen Barrieren versteht.
Praktische Umsetzung der Inklusion in der Kinder- und Jugendhilfe #
Methodische Grundlagen
Der Index für Inklusion, der ursprünglich von Tony Booth und Mel Ainscow entwickelt und inzwischen für verschiedene Arbeitsfelder der Kinder- und Jugendhilfe adaptiert wurde, bietet einen umfassenden Orientierungsrahmen für die Entwicklung inklusiver Praxis.
Er strukturiert den Entwicklungsprozess in drei grundlegende Dimensionen:
Die erste Dimension „Inklusive Kulturen schaffen“ bildet das Fundament inklusiver Entwicklung. Sie umfasst die Entwicklung einer gemeinsamen Vision von Inklusion, die von allen Beteiligten getragen wird. Dazu gehört die Etablierung inklusiver Werte in der Organisation, die sich in allen Aspekten der täglichen Arbeit widerspiegeln. Ein wesentlicher Bestandteil ist der Aufbau einer Willkommenskultur, die alle Menschen unabhängig von ihren individuellen Merkmalen wertschätzend einbezieht.
Die zweite Dimension „Inklusive Strukturen etablieren“ bezieht sich auf die organisatorische Ebene. Sie umfasst die systematische Personalentwicklung, bei der alle Mitarbeitenden die notwendigen Kompetenzen für inklusive Arbeit erwerben. Die Raumgestaltung muss barrierefrei und einladend gestaltet werden, sodass sie allen Nutzerinnen und Nutzern gerecht wird. Die Organisationsentwicklung zielt darauf ab, inklusive Prinzipien in allen Strukturen und Prozessen zu verankern.
Die dritte Dimension „Inklusive Praktiken entwickeln“ fokussiert die konkrete pädagogische Arbeit. Sie erfordert eine breite Methodenvielfalt, um den unterschiedlichen Bedürfnissen und Lernwegen gerecht zu werden. Partizipative Ansätze stellen sicher, dass alle Beteiligten aktiv einbezogen werden. Die Ressourcenorientierung richtet den Blick auf die Stärken und Potenziale jedes Menschen.
Partizipative Methoden
Die Zukunftswerkstatt stellt eine bewährte Methode zur partizipativen Entwicklung inklusiver Praxis dar. Sie gliedert sich in drei aufeinander aufbauende Phasen: In der Kritikphase werden zunächst alle wahrgenommenen Probleme und Hindernisse gesammelt. Dabei ist es wichtig, dass alle Beteiligten ihre Sichtweisen und Erfahrungen einbringen können. Die anschließende Phantasiephase eröffnet Raum für kreative Lösungsideen, wobei zunächst keine Einschränkungen durch vermeintliche Sachzwänge gelten sollen. In der Realisierungsphase werden die entwickelten Ideen auf ihre Umsetzbarkeit geprüft und konkrete Handlungsschritte geplant.
Die Methode des Photovoice ermöglicht es allen Beteiligten, ihre Perspektiven und Erfahrungen auf eine niedrigschwellige Art einzubringen. Die Teilnehmenden dokumentieren dabei ihren Alltag fotografisch und reflektieren anhand der Bilder über Barrieren, Ressourcen und Verbesserungsmöglichkeiten. In der gemeinsamen Analyse der Fotografien entstehen oft neue Einsichten und Perspektiven. Die Methode eignet sich besonders gut, um die Sichtweisen von Menschen einzubeziehen, die sich sprachlich weniger gut ausdrücken können oder wollen.
Das World Café bietet einen methodischen Rahmen für den niedrigschwelligen Austausch zu inklusionsrelevanten Themen. Die Teilnehmenden diskutieren dabei in wechselnden Kleingruppen verschiedene Aspekte der inklusiven Entwicklung. Durch die Rotation der Teilnehmenden entstehen vielfältige Gesprächskonstellationen, die neue Perspektiven eröffnen. Die kontinuierliche Visualisierung der Ergebnisse macht den Prozess für alle nachvollziehbar und dokumentiert die entwickelten Ideen.
Implementierungsstrategien #
Organisationsentwicklung
Die Analyse der Ausgangssituation bildet den ersten wichtigen Schritt bei der Implementierung inklusiver Strukturen. Die Bestandsaufnahme erfasst systematisch die vorhandenen Strukturen, Kompetenzen und Ressourcen. Die Bedarfsermittlung bezieht die Perspektiven aller Beteiligten ein und identifiziert Entwicklungsbedarfe. Die Ressourcenanalyse klärt, welche Mittel für die Umsetzung zur Verfügung stehen und wo zusätzliche Ressourcen erschlossen werden müssen.
Die Entwicklung eines Inklusionskonzepts erfolgt partizipativ unter Einbeziehung aller relevanten Akteure. Die Leitbildentwicklung schafft eine gemeinsame Vision und Orientierung für den Entwicklungsprozess. Die Zieldefinition konkretisiert die angestrebten Veränderungen und macht sie überprüfbar. Die Maßnahmenplanung legt fest, mit welchen konkreten Schritten die Ziele erreicht werden sollen.
Die Implementation des Inklusionskonzepts erfordert ein systematisches Projektmanagement. Dabei müssen Verantwortlichkeiten klar festgelegt und Zeitpläne realistisch gestaltet werden. Das Change Management begleitet die Veränderungsprozesse und unterstützt die Mitarbeitenden bei der Bewältigung neuer Anforderungen. Die Qualitätssicherung stellt durch regelmäßige Überprüfung und Anpassung sicher, dass die gesetzten Ziele erreicht werden.
Personalentwicklung
Die Kompetenzentwicklung der Mitarbeitenden stellt einen zentralen Erfolgsfaktor für inklusive Arbeit dar. Die fachliche Qualifikation umfasst sowohl Grundlagenwissen über verschiedene Formen von Beeinträchtigungen als auch spezifische Kenntnisse über inklusive Pädagogik. Die Methodenkompetenz befähigt die Fachkräfte, ihr Handlungsrepertoire flexibel und zielgruppengerecht einzusetzen. Die soziale Kompetenz ermöglicht einen wertschätzenden Umgang mit Verschiedenheit und die konstruktive Gestaltung von Beziehungen.
Die Teamentwicklung spielt eine wichtige Rolle bei der Umsetzung inklusiver Konzepte. Das Diversity Management fördert die Vielfalt im Team selbst und entwickelt einen konstruktiven Umgang damit. Das Konfliktmanagement unterstützt bei der Bearbeitung von Spannungen und Konflikten, die im Zuge von Veränderungsprozessen entstehen können. Das Kommunikationstraining verbessert den Austausch im Team und mit den Zielgruppen.
Netzwerkarbeit
Die interne Vernetzung schafft die Voraussetzungen für eine gelingende interdisziplinäre Zusammenarbeit. Die interdisziplinären Teams bringen verschiedene fachliche Perspektiven zusammen und ermöglichen ganzheitliche Problemlösungen. Die regelmäßigen Fallbesprechungen dienen dem fachlichen Austausch und der gemeinsamen Entwicklung von Handlungsstrategien. Die Arbeitsgruppen bearbeiten spezifische Themen und entwickeln Konzepte für die praktische Umsetzung.
Die externe Vernetzung erweitert die Handlungsmöglichkeiten der Einrichtung. Die Kooperationspartner ergänzen die eigenen Angebote und ermöglichen eine umfassende Unterstützung der Zielgruppen. Die Mitarbeit in Fachgremien ermöglicht den Austausch von Erfahrungen und die Entwicklung gemeinsamer Standards. Die Sozialraumkonferenzen bringen alle relevanten Akteure im Sozialraum zusammen und koordinieren die Zusammenarbeit.
Barrieren und Lösungsstrategien #
Strukturelle Barrieren
Räumliche Barrieren müssen systematisch identifiziert und abgebaut werden. Der barrierefreie Umbau orientiert sich dabei an den Prinzipien des Universal Design, das von vornherein die Nutzbarkeit für alle Menschen berücksichtigt. Die flexible Raumnutzung ermöglicht es, die Räume an unterschiedliche Bedürfnisse und Nutzungsformen anzupassen.
Organisatorische Barrieren erfordern eine Anpassung von Strukturen und Abläufen. Die flexiblen Strukturen ermöglichen es, auf individuelle Bedürfnisse einzugehen. Die bedarfsorientierten Angebote werden kontinuierlich an die Bedürfnisse der Zielgruppen angepasst. Die Prozessoptimierung vereinfacht Abläufe und macht sie für alle Beteiligten nachvollziehbar.
Kommunikative Barrieren
Sprachliche Barrieren stellen eine besondere Herausforderung in der inklusiven Arbeit dar. Die Einrichtung mehrsprachiger Angebote trägt der sprachlichen Vielfalt der Zielgruppen Rechnung. Die konsequente Verwendung von Leichter Sprache macht Informationen und Angebote für alle verständlich zugänglich. Die Unterstützte Kommunikation, die verschiedene Hilfsmittel und Methoden umfasst, ermöglicht Menschen mit Kommunikationseinschränkungen die aktive Teilhabe.
Kulturelle Barrieren erfordern eine bewusste interkulturelle Öffnung der Einrichtung. Diese umfasst sowohl die Reflexion der eigenen kulturellen Prägungen als auch die aktive Auseinandersetzung mit verschiedenen kulturellen Perspektiven. Die kultursensiblen Angebote berücksichtigen unterschiedliche kulturelle Bedürfnisse und Gewohnheiten. Das Diversity Training sensibilisiert die Mitarbeitenden für kulturelle Unterschiede und fördert einen konstruktiven Umgang damit.
Einstellungsbedingte Barrieren
Vorurteile stellen oft unsichtbare, aber wirksame Barrieren dar. Die systematische Sensibilisierung aller Beteiligten hilft, sich der eigenen Vorurteile bewusst zu werden und sie zu hinterfragen. Die Schaffung von Begegnungsmöglichkeiten ermöglicht direkte Erfahrungen, die zum Abbau von Vorurteilen beitragen. Das Anti-Bias-Training unterstützt die kritische Reflexion von Vorurteilen und die Entwicklung inklusiver Haltungen.
Ängste und Unsicherheiten im Umgang mit Verschiedenheit müssen ernst genommen werden. Die gezielte Information über verschiedene Formen von Beeinträchtigungen und deren Auswirkungen schafft Handlungssicherheit. Die professionelle Begleitung unterstützt die Mitarbeitenden bei der Bewältigung neuer Anforderungen. Die regelmäßige Supervision bietet Raum für die Reflexion von Ängsten und die Entwicklung konstruktiver Handlungsstrategien.
Qualitätsentwicklung in der inklusiven Praxis #
Die Qualitätsentwicklung in der inklusiven Praxis erfordert ein systematisches Vorgehen. Das Qualitätsmanagement orientiert sich dabei am PDCA-Zyklus (Plan-Do-Check-Act), der eine kontinuierliche Verbesserung ermöglicht.
Die Planungsphase umfasst die sorgfältige Zieldefinition und die Entwicklung geeigneter Maßnahmen. Dabei werden sowohl die fachlichen Standards als auch die spezifischen Bedürfnisse der Zielgruppen berücksichtigt. Die Ressourcenplanung stellt sicher, dass die notwendigen Mittel für die Umsetzung zur Verfügung stehen.
In der Durchführungsphase werden die geplanten Maßnahmen umgesetzt. Die systematische Dokumentation macht den Prozess nachvollziehbar und ermöglicht eine spätere Auswertung. Die Prozessbegleitung unterstützt die Mitarbeitenden bei der Umsetzung und identifiziert frühzeitig mögliche Schwierigkeiten.
Die Überprüfungsphase dient der systematischen Evaluation der durchgeführten Maßnahmen. Die Datenerhebung erfasst sowohl quantitative als auch qualitative Aspekte. Die Auswertung orientiert sich an den zuvor definierten Qualitätskriterien. Die Interpretation der Ergebnisse erfolgt gemeinsam mit allen Beteiligten.
Die Verbesserungsphase führt zu konkreten Anpassungen und Weiterentwicklungen. Aus den gewonnenen Erkenntnissen werden Schlussfolgerungen für die weitere Arbeit gezogen. Die notwendigen Anpassungen werden systematisch geplant und umgesetzt. Die Weiterentwicklung der Konzepte und Methoden orientiert sich an den identifizierten Bedarfen und Verbesserungsmöglichkeiten.
Praktische Methoden der inklusiven Arbeit #
Diagnostische Methoden
Die ressourcenorientierte Diagnostik stellt einen grundlegenden Perspektivwechsel dar. Die Kompetenzanalyse richtet den Blick gezielt auf die vorhandenen Fähigkeiten und Potenziale. Die Erstellung von Stärken-Schwächen-Profilen erfolgt gemeinsam mit den Betroffenen und dient als Grundlage für die weitere Förderplanung. Die systematische Entwicklungsbeobachtung dokumentiert Fortschritte und identifiziert Unterstützungsbedarfe.
Die partizipative Diagnostik bezieht die Perspektiven aller Beteiligten aktiv ein. Selbsteinschätzungsbögen ermöglichen es den Betroffenen, ihre eigene Sicht einzubringen. Die Durchführung von Kinderinterviews gibt Kindern und Jugendlichen eine Stimme im diagnostischen Prozess. Die Portfolioarbeit dokumentiert Entwicklungen und Erfolge aus verschiedenen Perspektiven.
Dokumentation und Evaluation
Die systematische Dokumentation bildet die Grundlage für die Qualitätsentwicklung. Die Entwicklungsberichte halten wichtige Veränderungen und Fortschritte fest. Die Verlaufsprotokolle dokumentieren den Prozess der Förderung und Unterstützung. Videoanalysen ermöglichen eine detaillierte Betrachtung von Interaktionen und Entwicklungen.
Die Evaluationsinstrumente müssen der Komplexität inklusiver Prozesse gerecht werden. Die Feedbackbögen erfassen die Perspektiven aller Beteiligten in systematischer Form. Die Prozessbeobachtung dokumentiert die Entwicklung inklusiver Strukturen und Praktiken. Die Wirkungsanalysen untersuchen die langfristigen Effekte inklusiver Maßnahmen.
Praxisaufgaben #
Die zentrale Praxisaufgabe zu diesem Abschnitt besteht in der Durchführung einer umfassenden Analyse Ihrer eigenen Einrichtung oder einer Ihnen bekannten Einrichtung der Kinder- und Jugendhilfe unter inklusiven Gesichtspunkten. Diese Analyse gliedert sich in drei wesentliche Teilbereiche:
- Zunächst gilt es, die bereits vorhandenen inklusiven Strukturen systematisch zu erfassen. Betrachten Sie dabei sowohl physische Aspekte wie die bauliche Barrierefreiheit als auch organisatorische Strukturen wie Konzepte, Leitbilder und Arbeitsabläufe. Dokumentieren Sie auch vorhandene Kompetenzen im Team sowie bestehende Kooperationen und Netzwerke.
- Im zweiten Schritt identifizieren Sie bestehende Barrieren in Ihrer Einrichtung. Berücksichtigen Sie dabei alle Dimensionen von Barrierefreiheit: physische, kommunikative, soziale, institutionelle und ökonomische Barrieren. Beziehen Sie auch die Perspektiven verschiedener Nutzergruppen ein und achten Sie besonders auf möglicherweise versteckte oder nicht offensichtliche Zugangsbarrieren.
- Der dritte Teil der Analyse besteht in der Entwicklung konkreter Verbesserungsvorschläge. Diese sollten realistisch umsetzbar sein und sich an den spezifischen Bedingungen Ihrer Einrichtung orientieren. Entwickeln Sie sowohl kurzfristig realisierbare Maßnahmen als auch langfristige Entwicklungsperspektiven. Berücksichtigen Sie dabei auch die notwendigen Ressourcen und mögliche Widerstände.
Literaturverzeichnis #
Boger, M.-A. (2019). Theorien der Inklusion – Die Theorie der trilemmatischen Inklusion zum Mitdenken: Eine Theorieentwicklung im Anschluss an die phänomenologische Methodologie und die integrative Pädagogik der Praxis. Münster: edition assemblage
Booth, T., & Ainscow, M. (2019). Index für Inklusion: Ein Leitfaden für Schulentwicklung. Überarbeitete und erweiterte Neuauflage. Weinheim: Beltz.
Degener, T., & Diehl, E. (2015). Handbuch Behindertenrechtskonvention: Teilhabe als Menschenrecht – Inklusion als gesellschaftliche Aufgabe. Bonn: Bundeszentrale für politische Bildung.
Hinz, A. (2002). Von der Integration zur Inklusion – terminologisches Spiel oder konzeptionelle Weiterentwicklung? Zeitschrift für Heilpädagogik, 73(2), 71-84.
Kuhlmann, C., & Mogge-Grotjahn, H. (2018). Soziale Inklusion: Theorien, Methoden, Kontroversen. Stuttgart: Kohlhammer.
Montag Stiftung Jugend und Gesellschaft (2011). Inklusion vor Ort: Der Kommunale Index für Inklusion – ein Praxishandbuch. Berlin: Eigenverlag.
Prengel, A. (2019). Pädagogik der Vielfalt: Verschiedenheit und Gleichberechtigung in Interkultureller, Feministischer und Integrativer Pädagogik (4. Auflage). Wiesbaden: Springer VS.
Schröer, W., Struck, N., & Wolff, M. (2016). Handbuch Kinder- und Jugendhilfe: Grundlagen, Handlungsfelder, Strukturen und Perspektiven (3. Auflage). Weinheim: Beltz Juventa.
von Spiegel, H. (2018). Methodisches Handeln in der Sozialen Arbeit: Grundlagen und Arbeitshilfen für die Praxis (6. Auflage). München: Ernst Reinhardt Verlag.
Wocken, H. (2016). Im Haus der inklusiven Schule: Grundrisse – Räume – Fenster. Aktuelle Beiträge zur inklusiven Pädagogik (4. Auflage). Hamburg: Feldhaus.
Weiterführende Online-Ressourcen #
- Deutsches Institut für Menschenrechte: www.institut-fuer-menschenrechte.de
- Inklusionspädagogische Materialien: www.inklusion-online.net
- Methodensammlung der Aktion Mensch: www.aktion-mensch.de