Einführung #
Das Hilfeplanverfahren stellt eines der zentralen Instrumente in der Kinder- und Jugendhilfe dar. Als systematisches Planungs- und Steuerungsinstrument, das im § 36 SGB VIII gesetzlich verankert ist, sichert es die professionelle Gestaltung von Hilfeprozessen. Im Fokus dieses Artikels stehen die praktischen und fachlichen Aspekte des Hilfeplanverfahrens sowie deren Umsetzung im beruflichen Alltag. Das Verfahren gewährleistet, dass Hilfen nicht willkürlich gewährt werden, sondern einem strukturierten, nachvollziehbaren und partizipativen Prozess folgen.
Was regelt der Hilfeplan? #
Der Hilfeplan fungiert als zentrales Dokument zur Gestaltung der Hilfen zur Erziehung und regelt umfassend die Zusammenarbeit zwischen dem Jugendamt, den Leistungserbringern, den Sorgeberechtigten und den betroffenen Kindern oder Jugendlichen. Die Ausgangssituation und der Anlass der Hilfe bilden dabei den ersten wichtigen Regelungsbereich. Hier wird detailliert beschrieben, warum die Hilfe notwendig geworden ist, wie sich die aktuelle Lebenssituation der Familie darstellt und welche Probleme und Herausforderungen bestehen. Dabei fließen auch die bisherigen Bewältigungsversuche und deren Erfolg in die Betrachtung ein. Besondere Aufmerksamkeit gilt den vorhandenen Ressourcen der Familie und ihres Umfelds sowie den unterschiedlichen Perspektiven aller Beteiligten.
Die systematische Bedarfsermittlung bildet einen weiteren zentralen Baustein des Hilfeplans. Der konkrete Hilfebedarf wird dabei ganzheitlich erfasst, wobei verschiedene Lebensbereiche Berücksichtigung finden. Die familiäre Situation spielt ebenso eine Rolle wie die schulische oder berufliche Entwicklung. Auch soziale Kontakte, die Freizeitgestaltung sowie gesundheitliche und materielle Aspekte fließen in die Bedarfsermittlung ein. Die Wohnsituation der Familie komplettiert dieses umfassende Bild.
Ein besonderes Augenmerk liegt auf der gemeinsamen Entwicklung von Zielvereinbarungen. Diese werden nicht einseitig festgelegt, sondern im Dialog mit allen Beteiligten erarbeitet. Dabei unterscheidet man zwischen langfristigen Entwicklungszielen und konkreten Handlungszielen. Teilziele und Zwischenschritte machen den Weg zur Zielerreichung überschaubar und nachvollziehbar. Klare Indikatoren für die Zielerreichung ermöglichen später eine objektive Überprüfung der Fortschritte.
Die Art und der Umfang der Hilfe werden im Hilfeplan präzise festgelegt. Dabei geht es zunächst um die Bestimmung der konkreten Hilfeart und deren zeitlichen Umfang. Auch die Auswahl des geeigneten Leistungserbringers erfolgt in dieser Phase. Besondere Bedeutung kommt der Gestaltung der Zusammenarbeit zwischen allen Beteiligten zu. Hier werden Kommunikationswege festgelegt und Verantwortlichkeiten klar definiert.
Ein wesentlicher Bestandteil des Hilfeplans ist die Regelung der Überprüfung und Fortschreibung. Regelmäßige Hilfeplangespräche werden terminiert und deren Rhythmus festgelegt. Die Kriterien für die Erfolgskontrolle werden gemeinsam vereinbart. Auch das Vorgehen bei notwendigen Änderungen wird im Voraus geklärt. Die fortlaufende Dokumentation der Entwicklung sichert die Nachvollziehbarkeit des Hilfeprozesses.
Zur Veranschaulichung dieser Regelungsbereiche betrachten wir den Fall der Familie Schmidt. Die alleinerziehende Mutter erhält Hilfe zur Erziehung in Form einer Sozialpädagogischen Familienhilfe. Der Hilfeplan regelt hier die Unterstützung bei der Strukturierung des Familienalltags. Die konkreten Vereinbarungen umfassen drei wöchentliche Termine mit der Familienhelferin, die gemeinsame Entwicklung eines Tagesplans sowie die Einrichtung einer Hausaufgabenroutine für die beiden Kinder im Alter von acht und elf Jahren. Der regelmäßige Austausch mit den Lehrkräften wird ebenso festgelegt wie die monatliche Überprüfung der Fortschritte.
Ein weiteres Beispiel zeigt die Flexibilität des Hilfeplans: Der sechzehnjährige Kevin zeigt seit einiger Zeit delinquentes Verhalten und konsumiert regelmäßig Cannabis. Der Hilfeplan vereinbart hier eine Kombination aus intensiver sozialpädagogischer Einzelbetreuung und Suchtberatung. Die Regelungen umfassen wöchentliche Einzelgespräche, die verpflichtende Teilnahme an einer Suchtberatung sowie die Entwicklung alternativer Freizeitaktivitäten. Auch die Unterstützung bei der Ausbildungsplatzsuche und die aktive Einbindung der Eltern in den Hilfeprozess werden festgeschrieben.
Wann ist ein Hilfeplanverfahren verpflichtend? #
Die Verpflichtung zur Durchführung eines Hilfeplanverfahrens ergibt sich aus verschiedenen gesetzlichen Grundlagen und erstreckt sich über ein breites Spektrum von Hilfeangeboten. Im Bereich der ambulanten Hilfen ist ein Hilfeplanverfahren bei allen längerfristigen Unterstützungsformen erforderlich. Dies beginnt bei der Erziehungsberatung, sofern diese über eine kurzfristige Beratung hinausgeht, und erstreckt sich über die soziale Gruppenarbeit und Erziehungsbeistandschaft bis hin zur Sozialpädagogischen Familienhilfe. Auch bei der intensiven sozialpädagogischen Einzelbetreuung ist das Verfahren obligatorisch.
Im Bereich der teilstationären Hilfen kommt dem Hilfeplanverfahren eine besondere Bedeutung zu. Die Erziehung in einer Tagesgruppe sowie die integrative Tagesbetreuung erfordern aufgrund ihrer Komplexität und des hohen Abstimmungsbedarfs zwingend eine strukturierte Hilfeplanung. Die verschiedenen Lebensbereiche des jungen Menschen müssen hier besonders sorgfältig koordiniert werden.
Bei stationären Hilfen ist das Hilfeplanverfahren von elementarer Bedeutung. Ob Vollzeitpflege, Heimerziehung oder betreutes Wohnen – der tiefgreifende Einschnitt in das Leben des jungen Menschen und seiner Familie macht eine besonders sorgfältige Planung und Begleitung erforderlich. Die Zusammenarbeit aller Beteiligten muss hier besonders gut koordiniert werden.
Auch die Eingliederungshilfe für seelisch behinderte Kinder und Jugendliche nach § 35a SGB VIII sowie Hilfen für junge Volljährige nach § 41 SGB VIII erfordern zwingend ein Hilfeplanverfahren. Die besonderen Bedürfnisse dieser Zielgruppen und die oft komplexen Unterstützungsbedarfe machen eine strukturierte Planung unerlässlich.
Besondere Aufmerksamkeit verdienen auch Übergangssituationen zwischen verschiedenen Hilfeformen. Der Wechsel von einer Hilfeform in eine andere, die Beendigung einer Hilfe oder auch Kriseninterventionen während laufender Hilfen erfordern jeweils eine Anpassung der Hilfeplanung. Auch bei einem Wechsel des Leistungserbringers ist eine Fortschreibung des Hilfeplans notwendig.
Es gibt jedoch auch Situationen, in denen kein formales Hilfeplanverfahren erforderlich ist. Dies betrifft etwa einmalige Beratungsgespräche oder Kriseninterventionen ohne längerfristige Hilfegewährung. Auch die allgemeine Förderung der Erziehung in der Familie nach § 16 SGB VIII sowie die Jugendarbeit nach § 11 SGB VIII erfordern kein formales Hilfeplanverfahren.
Schritte des Hilfeplanverfahrens #
Das Hilfeplanverfahren folgt einem systematischen Ablauf, der sich in mehrere aufeinander aufbauende Phasen gliedert. Die Klärungsphase bildet den Auftakt des Verfahrens. Hier erfolgt die erste Kontaktaufnahme mit der Familie, bei der sich die Fachkraft des Jugendamts einen umfassenden Überblick über die Situation verschafft. Die aktuelle Problemlage wird dabei ebenso erfasst wie die familiäre Situation und relevante Vorerfahrungen. Eine sorgfältige Analyse des sozialen Umfelds ermöglicht es, vorhandene Ressourcen und Stärken zu identifizieren.
Verschiedene methodische Zugänge unterstützen die Fachkraft in dieser Phase. Die Arbeit mit dem Genogramm ermöglicht einen strukturierten Blick auf familiäre Beziehungen und Muster. Die Sozialraumanalyse erweitert den Blick auf das weitere Lebensumfeld der Familie. Ressourcen- und Netzwerkkarten helfen dabei, Potenziale und Unterstützungsmöglichkeiten zu erkennen. Die Timeline-Arbeit ermöglicht es, die Entwicklung der Problemsituation im zeitlichen Verlauf nachzuvollziehen.
In der sich anschließenden Beratungsphase steht die Information der Familie über mögliche Hilfeformen im Mittelpunkt. Die verschiedenen Hilfemöglichkeiten werden vorgestellt und die rechtlichen Rahmenbedingungen erläutert. Das weitere Vorgehen wird transparent gemacht und alle Fragen und Unsicherheiten werden geklärt. Dabei ist es wichtig, sowohl die Chancen als auch die Grenzen der verschiedenen Hilfen aufzuzeigen.
Die methodische Gestaltung dieser Phase ist von großer Bedeutung. Die Visualisierung von Hilfemöglichkeiten unterstützt das Verständnis. Konkrete Beispiele machen die verschiedenen Optionen greifbar. Informationsmaterial wird zur Verfügung gestellt und bei Bedarf werden Hospitationen in Einrichtungen ermöglicht. Der Familie wird ausreichend Reflexionszeit eingeräumt, um eine fundierte Entscheidung treffen zu können.
Die Aushandlungsphase bildet einen zentralen Baustein des Verfahrens. Hier werden gemeinsam die Ziele der Hilfe definiert und konkrete Maßnahmen vereinbart. Die Entwicklung einer gemeinsamen Problemperspektive steht am Anfang. Darauf aufbauend werden konkrete Ziele formuliert und Verantwortlichkeiten festgelegt. Überprüfungskriterien werden vereinbart und eine zeitliche Planung erstellt.
Verschiedene methodische Ansätze unterstützen diesen Prozess. In Zieleworkshops werden die verschiedenen Perspektiven zusammengeführt. Skalierungsfragen helfen bei der Konkretisierung von Zielen. Die Zukunftswerkstatt ermöglicht es, positive Entwicklungsszenarien zu entwerfen. Eine Vereinbarungsmatrix macht Zuständigkeiten transparent. Die Ampelmethode hilft bei der Priorisierung von Zielen.
In der Durchführungsphase werden die vereinbarten Hilfen umgesetzt. Der Start der Hilfen wird sorgfältig vorbereitet und begleitet. Regelmäßige Hilfeplangespräche sichern die kontinuierliche Überprüfung der Entwicklung. Die Dokumentation erfolgt fortlaufend und ermöglicht bei Bedarf zeitnahe Anpassungen. Auch für mögliche Krisen werden Interventionsmöglichkeiten vorgehalten.
Die begleitenden Prozesse in dieser Phase sind vielfältig. Der regelmäßige Austausch aller Beteiligten sichert die Transparenz des Hilfeverlaufs. Die Überprüfung der Zielerreichung erfolgt anhand der vereinbarten Kriterien. Der Hilfeverlauf wird kontinuierlich reflektiert und die Koordination der verschiedenen Akteure gewährleistet. Maßnahmen zur Qualitätssicherung begleiten den gesamten Prozess.
Die Auswertungsphase schließlich dient der regelmäßigen Evaluation der Hilfe. Der Grad der Zielerreichung wird überprüft und die Wirksamkeit der Maßnahmen bewertet. Die Zufriedenheit aller Beteiligten wird erhoben und die Nachhaltigkeit der erreichten Veränderungen eingeschätzt. Auch die Perspektiven für die Zukunft werden in den Blick genommen.
An dieser Stelle bietet sich eine erste Selbstlernaufgabe an: Entwickeln Sie für jede Phase des Hilfeplanverfahrens konkrete Fragen, die Sie als Fachkraft stellen würden. Beachten Sie dabei besonders die Prinzipien der Partizipation und Ressourcenorientierung. Überlegen Sie, wie Sie die Fragen formulieren würden, um sowohl die notwendigen Informationen zu erhalten als auch eine vertrauensvolle Gesprächsatmosphäre zu schaffen.
Eine zweite Selbstlernaufgabe lädt dazu ein, einen Dokumentationsbogen für ein Hilfeplangespräch zu entwickeln. Reflektieren Sie dabei, welche Aspekte für eine professionelle Dokumentation unverzichtbar sind und wie Sie diese so strukturieren können, dass sie sowohl den fachlichen Anforderungen genügt als auch für alle Beteiligten verständlich und nachvollziehbar ist.
Wie erstelle ich einen Hilfeplan? #
Die Erstellung eines Hilfeplans erfordert ein systematisches und methodisch fundiertes Vorgehen. Am Anfang steht eine umfassende Situationsanalyse. Diese beginnt mit der sorgfältigen Erfassung der Ausgangssituation, wobei die aktuelle Lebenssituation der Familie detailliert beschrieben wird. Die vorhandenen Problemlagen werden analysiert und in ihrem Entstehungskontext betrachtet. Gleichzeitig gilt es, die Ressourcen zu erheben, die für den Hilfeprozess nutzbar gemacht werden können. Auch die bisherigen Hilfen und Unterstützungsmaßnahmen werden dokumentiert und hinsichtlich ihrer Wirksamkeit bewertet. Die Systemdynamik innerhalb der Familie und im weiteren sozialen Umfeld wird ebenfalls in den Blick genommen.
Verschiedene methodische Zugänge unterstützen diese erste Phase. Systemische Fragetechniken helfen dabei, die verschiedenen Perspektiven der Familienmitglieder zu erfassen und Wechselwirkungen zu erkennen. Die Genogrammarbeit ermöglicht einen strukturierten Blick auf familiäre Beziehungen und transgenerationale Muster. Soziogramme verdeutlichen die Beziehungsdynamiken im sozialen Umfeld. Ressourcenkarten machen Stärken und Potenziale sichtbar. Die entwicklungspsychologische Diagnostik liefert wichtige Hinweise auf altersspezifische Bedürfnisse und Entwicklungsaufgaben.
Bei der Dokumentation dieser ersten Phase kommt es auf eine klare Trennung von Beschreibung und Bewertung an. Die Fakten müssen objektiv dargestellt werden, während Interpretationen und Einschätzungen als solche kenntlich zu machen sind. Die multiperspektivische Darstellung berücksichtigt die Sichtweisen aller Beteiligten. Eine chronologische Aufbereitung der Entwicklung erleichtert das Verständnis der aktuellen Situation.
Die Zielformulierung bildet das Herzstück des Hilfeplans. Hier werden zunächst die übergeordneten Leitziele definiert, die die langfristige Entwicklungsrichtung vorgeben. Daraus werden mittelfristige Handlungsziele abgeleitet, die konkrete Veränderungsschritte beschreiben. Die kurzfristigen Handlungsziele schließlich benennen die unmittelbar anzugehenden Aufgaben und Veränderungen.
Bei der Formulierung der Ziele sind die SMART-Kriterien zu beachten. Jedes Ziel muss spezifisch, also eindeutig und konkret formuliert sein. Die Messbarkeit der Zielerreichung muss gewährleistet sein, um später den Erfolg der Hilfe beurteilen zu können. Die Attraktivität der Ziele ist wichtig für die Motivation aller Beteiligten. Realistische Ziele vermeiden Überforderung und Frustration. Die zeitliche Terminierung gibt dem Hilfeprozess eine klare Struktur.
Gute Zielformulierungen zeichnen sich durch ihre Konkretheit und Verständlichkeit aus. Wenn festgelegt wird, dass „Max ab dem kommenden Montag regelmäßig die Schule besucht“, ist dies ein spezifisches und überprüfbares Ziel. Die Vereinbarung, dass „Lisa zweimal wöchentlich an der Hausaufgabenbetreuung teilnimmt“, definiert einen konkreten Rahmen für die Unterstützung. Wenn „die Mutter ab nächster Woche einen Haushaltsplan führt“, ist dies eine nachvollziehbare Veränderung im Familienalltag.
Die Maßnahmenplanung übersetzt die vereinbarten Ziele in konkrete Handlungsschritte. Dabei werden die einzelnen Aktivitäten genau definiert und Verantwortlichkeiten klar zugeordnet. Die notwendigen Ressourcen werden benannt und ihre Verfügbarkeit sichergestellt. Ein realistischer Zeitplan strukturiert die Umsetzung. Die Koordination der verschiedenen Beteiligten wird verbindlich geregelt.
Bei der Durchführung der Hilfe spielen verschiedene Aspekte eine wichtige Rolle. Art und Umfang der Hilfe werden präzise festgelegt. Das soziale Umfeld wird aktiv in den Hilfeprozess einbezogen. Die Kooperation mit anderen Institutionen wie Schule oder Gesundheitsdiensten wird verbindlich vereinbart. Ein Kriseninterventionsplan gibt Sicherheit für schwierige Situationen. Die Dokumentationsvereinbarungen sichern die Nachvollziehbarkeit des Hilfeverlaufs.
Die Überprüfung der Hilfe orientiert sich an klar definierten Erfolgsindikatoren. Die Methoden der Evaluation werden im Voraus festgelegt. Regelmäßige Überprüfungszeitpunkte strukturieren den Hilfeverlauf. Möglichkeiten zur Anpassung der Hilfe werden vorgesehen. Auch Kriterien für einen möglichen Abbruch der Hilfe werden definiert.
Die Dokumentation des Hilfeplans folgt formalen und inhaltlichen Standards. Standardisierte Vorlagen erleichtern die vollständige Erfassung aller relevanten Aspekte. Die Unterschriften aller Beteiligten dokumentieren deren Einverständnis mit den getroffenen Vereinbarungen. Datenschutzrechtliche Aspekte werden durchgängig beachtet. Die Aufbewahrung und Zugänglichkeit der Dokumentation wird verbindlich geregelt.
Inhaltlich muss die Dokumentation verschiedenen Anforderungen genügen. Eine klare, verständliche Sprache ermöglicht allen Beteiligten das Verständnis der Vereinbarungen. Die Struktur der Dokumentation folgt einer nachvollziehbaren Logik. Alle relevanten Informationen werden vollständig erfasst. Fakten und Bewertungen werden deutlich voneinander getrennt. Die Perspektiven aller Beteiligten finden angemessene Berücksichtigung.
Die regelmäßige Fortschreibung des Hilfeplans sichert seine Aktualität. Veränderungen werden zeitnah dokumentiert. Die Zielerreichung wird kontinuierlich evaluiert. Bei Bedarf werden die Maßnahmen an neue Entwicklungen angepasst. Die Vorbereitung der Beendigung der Hilfe wird frühzeitig in den Blick genommen.
Fallbeispiel: Der Fall Sarah Weber – Ein Hilfeplanverfahren von der Erstmeldung bis zum Abschluss #
Die sechzehnjährige Sarah lebt mit ihrer alleinerziehenden Mutter und ihrem jüngeren Bruder Tim (8) in einer Dreizimmerwohnung am Stadtrand. Die Familie wurde dem Jugendamt durch Sarahs Klassenlehrerin bekannt gemacht, nachdem das Mädchen seit mehreren Wochen durch unregelmäßigen Schulbesuch, sinkende Leistungen und zunehmende Konflikte mit Mitschülern aufgefallen war. Verfolgen wir den Fall durch die verschiedenen Phasen des Hilfeplanverfahrens.
Die Klärungsphase Nach der Mitteilung durch die Schule nimmt die zuständige Bezirkssozialarbeiterin Frau Müller Kontakt mit der Familie auf. Beim ersten Hausbesuch trifft sie auf eine erschöpft wirkende Mutter, Frau Weber (42), die zunächst skeptisch reagiert, sich dann aber öffnet. Im Gespräch wird deutlich, dass sie seit ihrer Scheidung vor einem Jahr zunehmend mit der Situation überfordert ist. Sie arbeitet als Verkäuferin im Schichtdienst, was die Betreuung des achtjährigen Tim erschwert. Sarah hat seit der Trennung der Eltern die Rolle der „zweiten Erwachsenen“ übernommen, kümmert sich häufig um ihren kleinen Bruder und vernachlässigt darüber ihre eigenen Bedürfnisse.
Im separaten Gespräch mit Sarah zeigt sich, dass das Mädchen unter der Verantwortung leidet. Sie möchte ihrer Mutter helfen, fühlt sich aber gleichzeitig überfordert. Der Kontakt zum Vater ist unregelmäßig, was sie zusätzlich belastet. Tim fällt in der Schule durch Konzentrationsschwierigkeiten auf und zeigt aggressive Verhaltensweisen, wenn er überfordert ist.
Frau Müller erstellt mit der Familie eine Ressourcenkarte. Dabei werden auch positive Aspekte sichtbar: Sarah ist trotz allem eine gute Schülerin, die Familie hält zusammen, und es gibt eine hilfsbereite Nachbarin, die gelegentlich einspringt. Die Großeltern mütterlicherseits leben zwar weiter weg, unterstützen aber telefonisch und finanziell.
Die Beratungsphase In mehreren Gesprächen erörtert Frau Müller mit der Familie verschiedene Unterstützungsmöglichkeiten. Für Tim wird eine Tagesgruppe vorgeschlagen, die ihm Struktur und professionelle Betreuung nach der Schule bieten könnte. Für die gesamte Familie erscheint eine Sozialpädagogische Familienhilfe sinnvoll, die bei der Neuorganisation des Familienalltags unterstützen kann. Sarah selbst äußert den Wunsch nach einer eigenen Ansprechpartnerin, mit der sie über ihre Situation sprechen kann.
Die Familie erhält Informationsmaterial über die verschiedenen Hilfsangebote und die Möglichkeit, die Tagesgruppe zu besichtigen. Frau Weber ist zunächst unsicher, ob sie „fremde Hilfe“ annehmen soll, kann sich nach einem Gespräch mit den Großeltern aber darauf einlassen. Sarah zeigt sich erleichtert über die Aussicht auf Unterstützung.
Die Aushandlungsphase Im ersten Hilfeplangespräch werden gemeinsam konkrete Ziele entwickelt. Für die Gesamtfamilie wird vereinbart: Die Etablierung einer funktionierenden Alltagsstruktur, die Verbesserung der Kommunikation untereinander und eine klarere Rollenverteilung. Für Sarah wird festgelegt: Entlastung von familiären Aufgaben, Verbesserung der Schulpräsenz und Unterstützung bei der Entwicklung eigener Zukunftsperspektiven. Für Tim werden folgende Ziele formuliert: Aufarbeitung der Trennungserfahrung, Verbesserung der Konzentrationsfähigkeit und Entwicklung angemessener Konfliktlösungsstrategien.
Die Familie entscheidet sich für eine Kombination aus Sozialpädagogischer Familienhilfe und der Tagesgruppe für Tim. Zusätzlich wird für Sarah eine regelmäßige Beratung beim Jugendhaus vereinbart. Die Familienhelferin Frau Schmidt wird der Familie vorgestellt und gemeinsam wird ein Betreuungsrhythmus von zwei Terminen pro Woche festgelegt.
Die Durchführungsphase Die vereinbarten Hilfen werden schrittweise implementiert. Tim gewöhnt sich nach einer Eingewöhnungsphase gut in der Tagesgruppe ein. Die strukturierte Hausaufgabenbetreuung und die sozialpädagogische Gruppenarbeit zeigen erste positive Wirkungen. Seine Lehrerin berichtet von verbesserter Konzentration und weniger Konflikten.
Die Familienhelferin unterstützt Frau Weber bei der Entwicklung eines funktionierenden Wochenplans, der ihre Arbeitszeiten berücksichtigt. Gemeinsam werden Absprachen für die Kinderbetreuung getroffen und verlässliche Regelungen für den Haushalt etabliert. Sarah wird schrittweise von Verantwortlichkeiten entlastet und nutzt die gewonnene Zeit für schulische Belange und eigene Interessen.
In regelmäßigen Hilfeplangesprächen wird die Entwicklung reflektiert. Nach drei Monaten zeigen sich erste deutliche Verbesserungen: Die Schulpräsenz von Sarah hat sich stabilisiert, Tim zeigt weniger aggressive Verhaltensweisen, und Frau Weber berichtet von einem besseren Familienklima. Dennoch gibt es auch Rückschläge, etwa als der Vater einen vereinbarten Besuchstermin kurzfristig absagt und die Kinder enttäuscht reagieren.
Die Auswertungsphase Nach sechs Monaten erfolgt eine umfassende Auswertung der Hilfen. Die vereinbarten Ziele wurden größtenteils erreicht: Der Familienalltag ist strukturierter, die Rollen sind klarer verteilt, und alle Familienmitglieder berichten von einer Verbesserung ihrer Situation. Sarah besucht die Schule wieder regelmäßig und hat ihre alten Leistungen wieder erreicht. Tim zeigt in der Tagesgruppe eine positive Entwicklung und hat neue Freundschaften geschlossen.
Es wird vereinbart, die Hilfen in reduziertem Umfang fortzusetzen. Die Termine der Familienhilfe werden auf einmal wöchentlich reduziert. Tim bleibt in der Tagesgruppe, aber mit dem Ziel, ihn langfristig in einen regulären Hort zu integrieren. Für Sarah wird die Beratung im Jugendhaus nach Bedarf vereinbart.
Die Familie hat gelernt, Probleme früher wahrzunehmen und anzusprechen. Der Kontakt zum Vater wurde durch die Familienhelferin neu strukturiert, was zu mehr Verlässlichkeit führt. Frau Weber fühlt sich sicherer in ihrer Elternrolle und hat gelernt, sich bei Bedarf Unterstützung zu holen.
Das Fallbeispiel zeigt, wie das Hilfeplanverfahren durch seine strukturierte Vorgehensweise eine positive Entwicklung ermöglicht. Die kontinuierliche Überprüfung und Anpassung der Hilfen sowie die aktive Beteiligung aller Familienmitglieder waren dabei wichtige Erfolgsfaktoren. Besonders deutlich wird auch, wie verschiedene Hilfeformen sinnvoll kombiniert werden können, um den unterschiedlichen Bedürfnissen der Familienmitglieder gerecht zu werden.